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Xi Jinping besucht Südkorea

Matthias von Hein2. Juli 2014

Chinas Staats-und Parteichef Xi Jinping reist nach Südkorea. Mit dem US-Verbündeten verbindet Peking mehr als mit dem "Bruderstaat" Nordkorea. Auf der Agenda stehen Fragen der Wirtschaft und der Sicherheit.

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Chinas Staatschef Xi Jinping und seine südkoreanische Amtskollegin Park Geun-Hye (Foto: Getty Images/Wang Zhao)
Bild: Getty Images/Wang Zhao

Wie weit Theorie und Praxis oftmals auseinander klaffen, lässt sich an den Beziehungen Pekings zu den beiden Staaten auf der koreanischen Halbinsel ablesen. Zur Theorie: Nordkorea sollte eigentlich der engste Verbündete Chinas sein. Beide Staaten sind seit über 50 Jahren durch ein Freundschaftsabkommen verbunden. Das verpflichtet sie im Konfliktfall zu gegenseitigem Beistand. Ein derart weitgehendes Abkommen hat Peking bislang mit keinem anderen Staat getroffen. In der Praxis aber hat Peking mit seinem eigenwilligen "Bruderstaat" vor allem eines: Ärger.

Das wurde schon kurz nach Xi Jinpings Übernahme des Parteiführung deutlich: Im Februar 2013, kurz bevor Xi auch die Staatsführung übernahm, führte Pjöngjang einen Atomwaffentest durch. Alle Appelle Pekings, von dem Test abzusehen, hatte Pjöngjang ignoriert. Sogar Peking stimmte danach einer Verurteilung Pekings durch den UN-Weltsicherheitsrat zu. Pekings Unmut wuchs weiter, als Diktator Kim Jong-Un seinen Onkel Jang Song Thaek hinrichten ließ. Dieser galt als Chinas wichtigster Kontaktmann in Pjöngjang.

Ganz anders gestaltet sich das Verhältnis von China zu Südkorea. Erst 1992 normalisierten Seoul und Peking ihre Beziehungen. In den zwei Jahrzehnten seither stieg Südkorea zum drittgrößten Handelspartner Chinas auf. Umgekehrt ist der große Nachbar Seouls größter Handelspartner. Rund 230 Milliarden US-Dollar setzen beide Staaten im gegenseitigen Handel um, wobei Seoul einen Handelsbilanzüberschuss von rund 60 Milliarden Dollar erzielt.

Nordkorea isoliert, Südkorea umworben

Die engen Beziehungen werden dadurch unterstrichen, dass Xi Jinping erst nach Südkorea reist, bevor er den vermeintlichen Genossen im Norden seine Aufwartung macht. Mit Xi käme seit der Machtübernahme durch Kim Jong-un Ende 2011 zum ersten Mal ausländischer Staatsbesuch nach Nordkorea. Xi Jinping und die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye hingegen haben sich bereits vier Mal getroffen, obwohl beide erst im vergangenen Jahr ihre Ämter antraten. Liu Jiangyong, Politikwissenschaftler an der angesehen Tsinghua-Universität in Peking, spricht das Offensichtliche aus: "Wenn es um Handel geht und um gegenseitige Besuche, spielt Südkorea für China eine wichtigere Rolle als Nordkorea. Das ist einfach die Realität und auch eine logische Konsequenz der Marktwirtschaft. "

Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un im Kreis seiner Militärs (Foto: picture alliance/dpa)
Kim Jong-un zeigt sich zufrieden über jüngsten Test von KurzstreckenraketenBild: picture-alliance/dpa

Daniel Pinkston, Korea-Experte der International Crisis Group (ICG), sieht die Volkswirtschaften Chinas und Südkoreas eng verzahnt. In Nordost-Asien gebe es mehrere sogenannte "globale Zulieferketten". Viele Produktionsprozesse seien global verteilt, die Hersteller angewiesen auf Zulieferung von Teilen aus anderen Staaten. "Diese Integration macht alle Staaten und Firmen anfällig für Unterbrechungen dieser Produktionsform. Das schafft für alle Seiten starke Anreize, die wirtschaftliche Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten", erläutert Pinkston im Gespräch mit der Deutschen Welle. Es wird erwartet, dass der Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit bei diesem zweitägigen Besuch (03.und 04.07.2014) weit oben auf der Agenda von Xi Jinping und Südkoreas Präsidentin Park stehen wird.

Parks "Vertrauenspolitik"

Wichtiger aber wird beiden Staatschefs der Austausch über die Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel sein. Zumal sich Pjöngjang nur Tage vor der Südkorea-Reise Xi Jinpings mit Raketentests auf der internationalen Bühne bemerkbar gemacht hat und dadurch sicherstellt, als unsichtbarere Dritter gewissermaßen mit am Tisch zu sitzen. Vermutlich wird es in den Gesprächen mit Präsidentin Park Geun Hye der Streit um das nordkoreanische Atom- und Raketenprogramm ein Schwerpunkt sein. China versucht seit langem, neue Mehrparteiengespräche über dessen Atomprogramm in Gang zu bringen. Südkorea und die USA verlangen jedoch vorher konkrete Abrüstungsschritte Nordkoreas. Ohnehin hatte Südkoreas Präsidentin zum Beginn ihrer Amtszeit eine Neuausrichtung der Politik Seouls gegenüber Pjöngjang eingeleitet, unter dem Namen "Vertrauenspolitik".

Präsident Barack Obama in Seoul bei Park Geun-Hye: Pressekonferenz (Foto: Reuters)
Die amerikanisch-südkoreanische Allianz ist fest wie eh und jeBild: Reuters

Im Kern will die "Vertrauenspolitik" dem Norden aus einer Position militärischer Stärke heraus Dialogangebote unterbreiten. Für den Koreaexperten Pinkston läuft Parks Politik auf ein "Wie du mir, so ich dir" hinaus. "Sie hat gegenüber Nordkorea sehr deutliche Signale gegeben: Wenn Nordkorea kooperiert, wird der Süden auch kooperieren. Sollte der Norden aber kriegerisch und unkooperativ auftreten, wird Südkorea entsprechend reagieren", so Pinkston. Gerne würde Präsidentin Park China dafür gewinnen, durch mehr Druck Nordkorea von seinem Atomwaffenprogramm abzubringen. Doch bislang ist China bei allem Unmut über den ungeliebten Verbündeten dazu nicht bereit. Die Mittel dazu hätte Peking.

Ungenutztes Druckpotential

Denn Nordkorea ist wirtschaftlich weitgehend abhängig von China: 70 Prozent seines Außenhandels wickelt Nordkorea über China ab. Aus China stammen bis zu 90 Prozent der Öllieferungen, 80 Prozent der Konsumgüter, 45 Prozent der Nahrungsmittel. Dennoch zeigt sich Cai Jian, Korea-Experte an der Shanghaier Fudan.Universität, skeptisch. Im Interview mit DW.DE erkennt Cai das Druckpotential dieser Abhängigkeit durchaus an. "Aber Peking wird sich zurückhalten, dies als Druckmittel einzusetzen", betont Cai. Denn Chinas strategisches Interesse bestehe in der Erhaltung des Status quo auf der koreanischen Halbinsel. "China will nicht so viel Druck ausüben, dass der Norden instabil wird oder gar kollabiert."

Ein nordkoreanischer Soldat an dern Grenze zu Südkorea (Foto: picture alliance/ap)
China ist am Erhalt des Status quo in Korea interessiertBild: picture alliance/AP Photo