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YouTuber gegen Fremdenhass

Nina Niebergall2. Februar 2016

Toleranzoffensive im Netz: Ein Kollektiv aus Videobloggern setzt sich mit der Kampagne #YouGeHa gegen Vorurteile ein - und ein syrischer Flüchtling lässt die Internet-Community durch seine Augen auf Deutschland schauen.

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DW Euromaxx Firas Alshatar
Bild: DW

"Hallo Leute und hässlich… herzlich Willkommen in mein erstes Video für euch!" In gebrochenem Deutsch und mit einem gut durchdachten Freudschen Versprecher begrüßt der syrische Filmemacher Firas Alshater die YouTube-Gemeinde zum ersten Film seiner Webserie "Zukar", auf deutsch Zucker. Der 24-Jährige will herausfinden, wie dieses Land tickt, in das er vor zwei Jahren als Flüchtling gekommen ist. Los geht’s mit einer grundsätzlichen Frage: Wer sind eigentlich diese Deutschen?

Warten auf eine Umarmung

In seinem Video zeigt er Bilder von Pegida-Demonstranten und Menschen, die ein "Refugees Welcome"-Banner vor sich hertragen. Sie zeigen: Die Meinungen der Deutschen gehen weit auseinander. Doch wie sieht dieses Deutschland zwischen den Extremen aus? Alshater macht den Selbsttest: Er stellt sich mit verbundenen Augen auf den Berliner Alexanderplatz, neben sich ein Schild mit der Aufschrift "Ich bin syrischer Flüchtling. Ich vertraue dir - Vertraust du mir? Umarme mich!" Dann wartet er. Und wartet.

In Syrien war Alshater als Videojournalist und Systemkritiker bekannt. Für seine Aufnahmen sei er immer wieder verhaftet worden, erzählt er im DW-Interview. Mittlerweile lebt er seit gut zwei Jahren in Berlin. Und kämpft weiter: gegen das Regime in Syrien - und für die gegenseitige Akzeptanz von Deutschen und Flüchtlingen. "Alle Menschen, die in Deutschland leben, müssen schauen, wie sie miteinander umgehen", findet er. "Mit Humor bringen wir die Leute zueinander, damit sie einander verstehen."

Sein erster Clip der Reihe "Zukar" wurde am 02.02.15 auf YouTube bereits 82.000 Mal aufgerufen. Die Netzgemeinde feiert den syrischen YouTuber für seinen Witz und seine wertvolle Botschaft, die sich auch gegen rechte Hetze im Internet richtet.

Gegen Vorurteile und Stereotype

Spätestens seit im Sommer immer mehr Menschen in Deutschland Zuflucht vor den Kriegen ihrer Heimatländer suchten, vergiften fremdenfeindliche Äußerungen die Atmosphäre der sozialen Netzwerke. Oft werden die Kommentare auf YouTube, Facebook und Twitter nicht gelöscht und die User auf diese Weise ungefiltert mit rassistischem Gedankengut konfrontiert.

Etwa 40 Videoblogger, darunter LeFloid und MrWissen2Go, wehren sich gegen diesen Trend. Mit der Aktion "Youtuber gegen Hass" wollen sie mit Vorurteilen rund um die Themen Einwanderung, Fremdenfeindlichkeit und Islam aufräumen. Unter dem Hashtag #YouGeHa laden sie Videos hoch, in denen sie berichten, einordnen oder satirisch kommentieren.

"Für jeden Hasstyp was dabei"

YouTuber Ben Bode nimmt sich auf seinem Blog "SOundSO gesehen" den Hass als solchen vor. Als wolle er einen Handyvertrag verkaufen, fragt Bode den Zuschauer in Werbespot-Manier: "Du hast ganz viel Wut im Bauch und weißt nicht wohin damit?" Und bietet gleich darauf die Lösung: ein All-inklusive-Hasspaket. Und das Versprechen: "Bei uns ist für jeden Hasstyp was dabei." Für Männer mit Selbstbewusstseinsproblemen empfehle sich das Paket "Frauenfeind". Das Paket "Islamist" wiederum erfordere keine theologischen Vorkenntnisse, sondern lediglich die Bereitschaft, nicht zu viel denken zu wollen.

Deutschland Screenshot vom YouTube Video Trau Dich Hass YouTuberInnen gegen Fremdenhass (Foto: YouTube)
In seinem Video "Trau Dich Hass" geht YouTuber Ben Bode der Frage nach: Wohin mit all der Wut im Bauch?Bild: YouTube/Zukar

Er habe versucht, diskriminierende Gruppen zu identifizieren und auf die Schippe zu nehmen, erklärt Ben Bode im DW-Interview. In der Debatte um rechte Hetze im Netz sieht er für Blogger eine besondere Verantwortung: "Was wir als YouTuber machen, ist Ausdruck von Meinungsfreiheit, also etwas, dass wir unserer gesellschaftlichen Verfassung verdanken. Jeder muss sich Gedanken machen, ob er der Gesellschaft nicht auch etwas schuldig ist." Als YouTuber-Kollektiv hätten die Initiatoren von #YouGeHa die Möglichkeit, ihre Reichweite zu kombinieren und dadurch vermehrt Aufmerksamkeit herzustellen, ergänzt Bode.

"Wo gibt es dieses 'Hass' zu kaufen?"

So sind es bisher auch keine rassistischen Pöbler, die das Video von "SoundSo gesehen" kommentieren. Videoblogger MrWissen2go schreibt: "Wo gibt es dieses 'Hass' zu kaufen? Klingt gut." Darauf antwortet ein Nutzer ironisch: "Ab sofort erhältlich an ihrem Stammtisch vor Ort oder jederzeit und überall im Netz." Die Szene ist sich einig. Auch Ben Bode erklärt, die Resonanz auf sein Video sei fast durchweg positiv. Da bleibt die Frage: Erreichen die YouTuber auch diejenigen, die den Hass im Netz verbreiten?

Deutschland aus der Perspektive eines Flüchtlings Screenshot vom YouTube Video (Foto:YouTube)
Endlich: Firas Alshater erhält von einem Berliner Passanten die ersehnte UmarmungBild: YouTube/Zukar

Firas Alshater ist sich dessen sicher. "Sogar Leute, die gegen Ausländer sind, haben mir geschrieben: 'Du hast mich zum Lachen gebracht und ich freue mich auf die nächste Folge.'" Ben Bode ist zwar etwas anderer Meinung: "Zu unserer Zielgruppe gehören oft nicht diejenigen, die am Ende hetzen." Er wolle aber nicht nur die diejenigen erreichen. "Vor Kurzem habe ich gelesen: Diese ganze rechte Hetze ist nur so laut zu hören, weil die Aufrichtigen so leise sind. Deshalb ist es genauso richtig, diese Menschen zu motivieren, ihre Stimme zu erheben."

Die Aufrichtigen, die vielfach verbrämten sogenannten Gutmenschen, gewinnen schließlich auch in Alshaters Clip die Oberhand. Endlich umarmt ein erster Mutiger den jungen Syrer. Und dann noch einer. Und noch einer. "Wenn die Deutschen mit etwas anfangen, dann hören sie überhaupt nicht mehr auf", bekundet Alshater verwundert. Sein Fazit: Die Deutschen brauchen zwar mehr Zeit - aber irgendwann sind sie nicht mehr zu stoppen. Für Alshater kann das nur bedeuten: "Die Integration wird klappen - irgendwann."