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Yukos-Eigentümer wollen 98 Milliarden Dollar

4. März 2010

Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat der bislang größte Schadensersatzprozess in der Geschichte des Gerichtshofs begonnen. Frühere Eigentümer des Ölkonzerns Yukos klagen gegen die russische Regierung.

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Drei Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Foto: AP)
Die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der AnhörungBild: AP

Es geht um die unvorstellbare Summe von 98 Milliarden Dollar, also eine 98 mit neun Nullen (rund 74 Milliarden Euro). Frühere Eigentümer des einst größten russischen Ölkonzerns Yukos verlangen von Russland Schadenersatz genau in dieser Höhe - ein Klageverfahren mit so einer gigantischen Schadenersatzforderung hat es vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg noch nie gegeben.

Gericht verhandelt über Rekordklage

Anwalt Piers Gardner im Gerichtssaal (Foto: AP)
Yukos-Anwalt Piers Gardner spricht von EnteignungBild: AP

Am Donnerstag (04.03.2010) hat die Anhörung über die Rekordklage des früheren Erdölkonzerns Yukos gegen den russischen Staat begonnen. Moskau habe den von dem Multimillionär Michail Chodorkowski gegründeten Konzern mit einer "Sintflut von Steuernachforderungen" systematisch in den Ruin getrieben, sagte Yukos-Anwalt Piers Gardner. Russland habe einen höchst rentablen Ölkonzern in die Knie gezwungen, um die staatliche Kontrolle über die Ölbranche auszuweiten. Der Ölkonzern wurde 2006 liquidiert, der einstige Mehrheitsaktionär Michail Chodorkowski wegen Steuerhinterziehung und Betrug zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Bei der Anhörung standen sich erstmals Kläger und Beklagte gegenüber. Der Rechtsvertreter der russischen Regierung, Michael Swainston, wirft Yukos Steuerhinterziehung im großen Stil vor. Yukos habe riesige Summen in Form von Steuergeschenken einkassiert und 22 "Scheingesellschaften" in russischen Regionen gegründet, die mit Steuererleichterungen Unternehmen anlocken wollten. Diese Scheinfirmen hätten dem Moskauer Mutterkonzern riesige Summen überwiesen.

Steuerbetrug oder Enteignung?

Gardner wies den Vorwurf des Steuerbetrugs zurück. Yukos habe eng mit dem Finanzministerium zusammengearbeitet und ihm monatlich seine Konten offengelegt. Das Ministerium sei völlig im Bilde gewesen, erklärte der Yukos-Anwalt. "Man hat alles überprüft, nichts war dubios", sagte Gardner weiter, der in der Anhörung auf die Flut von Steuernachzahlungen pochte, die Yukos zwischen 2000 und 2003 in den Boykott getrieben hätten. Dies sei nichts anderes als eine versteckte Enteignung gewesen.

Michail Chodorkowski hinter Gittern (Foto: AP)
Wurde 2003 verhaftet: Michail ChodorkowskiBild: AP

Die Yukos-Kläger sehen hinter der Zerschlagung ein rein politisches Motiv. Auch Chodorkowski lässt keine Gelegenheit aus, Ex-Kremlchef Wladimir Putin für das "unverhältnismäßige Vorgehen" gegen Yukos und seine Mitarbeiter verantwortlich zu machen. Der 46-Jährige sieht sich bis heute als Opfer, weil er mit seinem sozialen und politischen Engagement Putin im Wege gewesen sei.

Das Straßburger Verfahren habe eine "historische Bedeutung", kommentierte die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta." Nach Meinung der Beobachter können bis zur Entscheidung der Straßburger Richter ein bis zwei Jahre vergehen.

Erster juristischer Erfolg

Die früheren Yukos-Eigentümer sind mit ihrer Klage auch vor das internationale Schiedsgericht im niederländischen Den Haag gegangen - mit einem ersten Erfolg: Das Gericht hat entschieden, dass die Kläger gegen die russische Regierung klagen dürfen, weil diese trotz der Internationalen Energiecharta die Yukos-Enteignung ohne angemessene Entschädigung zugelassen hatte.

Autorin: Marion Linnenbrink (dpa, afp)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot