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Zahle nur, so viel du willst!

Martin Koch19. Januar 2013

Wenn ein Zoo oder ein Museum die Besucher entscheiden lässt, wie viel Eintritt sie zahlen - was wird passieren? "Pay What You Want" klingt wie wirtschaftliches Harakiri, ist aber erstaunlich erfolgreich.

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Eine Rentnerin hält ein Portemonnaie mit Hartgeld. (Foto: dapd)
Bild: dapd

Ein bisschen mulmig war den Verantwortlichen im Museum Koenig in Bonn schon, als sie sich im vergangenen Oktober an dem Projekt "Pay What You Want" beteiligten. Um so größer dann die Überraschung: Das Ergebnis fiel äußerst positiv aus, schwärmt die stellvertretende Direktorin Angelika Hünerbein im Gespräch mit der DW: " Wir hatten natürlich überlegt, was ist, wenn die Besucher sagen: Wir finden, dass Museen grundsätzlich eintrittsfrei sein sollen. Wenn das die überwiegende Zahl gemacht hätte, hätte das für uns einen erheblichen finanziellen Nachteil bedeutet. Aber das war überhaupt nicht der Fall." Im Gegenteil: Nur sehr wenige der Besucher haben tatsächlich die Gunst der Stunde genutzt und überhaupt nichts gegeben. Stattdessen registrierte das Museum Koenig am Ende des vierwöchigen Experiments fast 20 Prozent mehr Besucher und eine Umsatzsteigerung von 40 Prozent.

Der Zoo in Münster hatte während seiner "Pay What You Want"-Phase von Anfang Dezember bis Anfang Januar sogar fünfmal so viele Besucher wie sonst im selben Zeitraum. Und auch in den USA gibt es, vor allem in New York, zahlreiche Restaurants und Museen, die mit großem Erfolg ihre Kunden selbst entscheiden lassen, wie viel sie berappen wollen.

Das kleine Bergzebra "Mira" im Tierpark in Berlin (Foto: dpa/picture-alliance)
In Zoos funktioniert "Pay What You Want" gutBild: picture-alliance/dpa

Fairness und Schnäppchenjagd

Für Marcus Kunter von der RWTH Aachen ist das keine Überraschung. Der Marketing-Experte beschäftigt sich seit zwei Jahren wissenschaftlich mit individueller Preisgestaltung. Getestet hat er das nicht nur im Museum Koenig und im Münsteraner Zoo, sondern auch in einem Restaurant und in einem Solarium. In allen Fällen waren die Rückmeldungen der Anbieter positiv. Die Kombination, die die Kunden lockt, so Kunter, heißt Fairness und Schnäppchenjagd. "Die Leute wollen fair bleiben und einen Betrag bezahlen, um die Leistung zu erhalten. Aber sie wollen auch rausgehen mit dem Gefühl: Ich habe ein Schnäppchen gemacht, wenn sie den Preis kennen."

Gegenüber der DW erläutert der Wissenschaftler, dass "Pay What You Want"-Versuche vor allem dann erfolgreich sind, wenn die Kunden nicht anonym zahlen, sondern einem persönlichen Gegenüber: "Der direkte Kontakt führt zu einer Art sozialem Druck, und das führt dazu, dass die Leute mehr bezahlen." Und die meisten, die weniger gäben, rechtfertigten sich für ihren geringen Beitrag: Manche mit ihrer kleinen Rente, andere mit ihrem knappen Haushaltsbudget.

Angelika Hünerbein, stellvertretende Direktorin des Museums Koenig (Foto: DW/Martin Koch)
Angelika Hünerbein, stellvertretende Direktorin des Museums KoenigBild: DW/M. Koch

Diese Erfahrung hat auch Angelika Hünerbein vom Museum Koenig während der Testphase im Oktober gemacht: "In den ersten Tagen war ich selbst am Eingang und hab die Besucher informiert, wie das abläuft und warum wir das machen, und das waren sehr erfreuliche Gespräche."

Grundsätzlich gilt: Wenn die Verbraucher überzeugt sind, dass sie mit ihrem Obolus eine gute Sache unterstützen, sind sie großzügiger. Das haben auch die Besucher des Museums Koenig der DW bestätigt: Viele sagten, die Ausstellungen seien so gut, dass sie einen ordentlichen Eintrittspreis verdienten. Und auf unsere Frage, wie viel sie bei frei zu wählenden Eintrittspreisen geben würden, nannten fast alle eine höhere Summe als die, die sie tatsächlich entrichten mussten.

Vorbild "Radiohead"

Im Prinzip gibt es das Verfahren des "Zahl, so viel du willst" schon lange: Wer einem Straßenmusiker in der Fußgängerzone etwas Geld in den Gitarrenkoffer wirft, entscheidet jedesmal, wie viel ihm oder ihr die dargebotenen Klänge wert sind. Auch in manchen links-alternativen Kneipen gab und gibt es dieses Prinzip. Und letztlich ist jede Spende für einen wohltätigen Zweck ebenfalls das Ergebnis der Überlegung, wie viel Geld für den jeweiligen Anlass angemessen erscheint.

In den vergangenen fünf Jahren hat "Pay What You Want" allerdings einen signifikanten Aufschwung erlebt - ausgelöst durch die britische Alternative Rock Band "Radiohead". Die fünf Musiker aus Oxford hatten nach sechs Studioalben ihren Vertrag mit dem Plattenlabel EMI nicht verlängert und ihr siebtes Album "In Rainbows" im Internet zum Download frei zugänglich gemacht. Die Fans konnten selbst entscheiden, ob und wie viel sie dafür zahlen wollten. Diese Idee war unter Musikern damals umstritten, aber es gilt als Meilenstein des "Pay What You Want"-Verfahrens in der Musikbranche - und darüber hinaus.

Thom Yorke, rechts, und Ed O'Brien, links, der Gruppe Radiohead in Manchester, Juni 2006 (Foto: AP)
Rockband RadioheadBild: AP

Denn erst seit "In Rainbows" werde dieses Prinzip wissenschaftlich ernsthaft erforscht, sagt Marcus Kunter. Allerdings eigne es sich vor allem für Einrichtungen mit hohen Fixkosten wie zum Beispiel Zoologische Gärten. Die Tiere müssen versorgt, die Gehege gepflegt und die Kassen besetzt werden, egal, ob 10 oder 1000 Besucher drin sind. "Pro Besucher haben Sie wenige Zusatzkosten, und dann funktioniert 'Pay What You Want' immer ganz gut. Es funktioniert nicht, wenn Sie beispielsweise einen Fernseher verkaufen wollen, der schon hohe Herstellungskosten hat. Die Leute werden die rausschleppen und nicht viel bezahlen." Deshalb rät der Marketing-Fachmann allen Interessierten, sich vor einer solchen Aktion den Rat von Experten zu holen - sonst könne das Modell scheitern.

Eine der spannenden Zukunftsfragen, so Kunter, ist, in welchem Umfang sich das "Pay What You Want"-Verfahren durchsetzt: "Möglicherweise funktionieren diese Aktionen gut, wenn sie immer mal wieder angeboten werden. Es kann aber auch passieren, dass es den Reiz verliert, wenn die Leute sich daran gewöhnen." Eine verlässliche Prognose wagt er nicht - dafür braucht es noch viel Forschung.