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US-Führung

Antje Passenheim, Washington21. März 2014

Drohnen und Sanktionen statt massivem Kriegsaufgebot: Obama stellt die außenpolitischen Weichen der USA neu. Er will den "leichten militärischen Fußabdruck." Die Ukraine-Krise stellt diese Strategie auf den Prüfstand.

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Drei Soldaten REUTERS/Andrew Burton
Bild: Reuters

Die Lage sei für Obama die schwierigste außenpolitische Krise seiner Amtszeit, sagt Harvard-Politologe Nicholas Burns. "Ich denke, Präsident Obama hat zwei große Herausforderungen: Die eine ist es, zusammen mit Deutschland und anderen Ländern auf die Aggression Wladimir Putins in der Ukraine zu reagieren", sagte Burns der DW. "Gleichzeitig stellen die chinesischen Expansionsgelüste im Süd- und Ostchinesischen Meer die Vereinigten Staaten vor große Fragen."

Zwei Probleme - eine Konsequenz: "Es ist Zeit für Amerikanische Führung", sagte der Außenpolitik-Experte, der von 2005 bis 2008 unter Präsident George W. Bush als Under-Secretary of State für politische Angelegenheiten den dritthöchsten Posten im US-Außenministerium bekleidete. "Es ist an der Zeit, dass wir die NATO zusammenrufen und die Bande zwischen Europa und den USA fester schließen müssen." Er denke, die USA sei in der Lage, diese Führung zu übernehmen. "Und das müssen wir nun von unserem Präsidenten sehen."

Der muss sich seit dem Krimreferendum besonders von Republikanern wie dem Senator John McCain immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, nicht hart genug gegen Putin vorzugehen. Doch ein Militärschlag gegen die Atommacht Russland wäre fatal, warnt Burns. Zumal die Ukraine kein NATO-Mitglied sei. Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Obama seien sehr bedacht, indem sie sich für den Dreiklang der Maßnahmen entschieden hätten. "Nummer eins: Wir müssen die Regierung in der Ukraine stärken", so Burns. Kiew müsse weiter finanziell gestärkt werden. "Zum Zweiten ist es sehr wichtig, dass wir zu unseren Verpflichtungen gegenüber den NATO-Allierten stehen - Polen, Estland, Lettland, Litauen, den Nachbarländern der Ukraine." Und schließlich müsse Putin für seine illegalen Aktionen den Preis zahlen - "Und da denke ich, dass Sanktionen Sinn machen."

US Zerstörer REUTERS/Depo Photos
Einen Militärschlag gegen Russland wird es nicht gebenBild: Reuters

Umdenken in Washington

Das US-Finanzministerium als nichtmilitärische Außenstelle des Pentagons: Weg von teuren, langwierigen Kriegseinsätzen. Statt dessen intelligente Kriegsführung mit Drohnen und Sanktionen. Und vor allem nicht im Alleingang. So machte Obama 2011 etwa die Unterstützung der NATO und der arabischen Staaten zur Bedingung für Luftangriffe in Libyen. Als Machthaber Muammar al-Ghaddafi gestürzt war, investierten die Amerikaner nicht weiter in den Demokratieaufbau des Landes. Einige sehen das rückblickend als Fehler.

Als die internationale Gemeinschaft sich vergangenes Jahr einem Militärschlag in Syrien verweigerte, machte auch Obama den Rückzieher. Ein grober Fehler, wie ihm vor allem Republikaner vorwerfen. Die zauderliche Haltung in Syrien habe Präsident Putin gezeigt, dass den Drohungen der USA keine Taten mehr folgten, erklärte der konservative amerikanische Kongressabgeordnete Charles Dent der DW. Putin habe die USA in den vergangenen fünf Jahren sehr genau beobachtet. "Er hat unsere Atomverhandlungen mit dem Iran verfolgt. Er hat uns in Syrien beobachtet. Er sah, wie die USA ihr Raketenabwehrprogramm in Tschechien und Polen zurückzogen", so Dent. Er könne verstehen, wenn Putin zu dem Schluss gekommen sei, dass die USA ihren weltweiten Verpflichtungen nicht mehr nachkämen. "Er sah, wie gewissermaßen ein Vakuum entstand, das er füllen kann."

Auch Ex-Diplomat Burns sieht den Syrien-Rückzieher als falsches Signal an: "Wir haben eine Linie in den Sand gezogen und gesagt: Wenn Syrien die übertritt, gibt es Strafen. Und es gab keine Strafen", so Burns. "Doch ich denke, es ist nicht fair, deshalb zu behaupten, die USA sind weich oder naiv oder haben einen zu leichten Fußabdruck."

Nicholas Burns Photo/Gerald Herbert)
Burns hält das Ableben der US-Außenpolitik für übertriebenBild: dapd

Beständige Macht

Ganz im Gegenteil, meint auch Bruce Jones vom Washingtoner Thinktank "Brookings Institution". "Die USA sind keine geschwächte Macht, sondern eine nachhaltige", meint der Autor des gerade erschienenen Buchs "Still Ours to Lead." "Es stimmt, dass es andere Akteure auf der Weltbühne gibt", sagte Jones. "Doch die Stärke des politischen Systems in den USA, das Wirtschaftssystem, das militärische Potenzial, die Innovation und hohe Technologie, unsere rasch wachsende Bevölkerung, unser Energie-Boom - die USA sind eine beständige Macht auf dieser Weltbühne."

Die USA seien nach wie vor eine dominante militärische Führungsmacht. "Wenn man die Kapazität der US-Armee und Wirtschaft mit der unserer Verbündeten zusammenrechnet, dann macht der Westen rund 70 Prozent der Weltwirtschaft aus und hat eine überwältigende Militärkapazität", so Jones. Die zögerliche Haltung, wenn es darum geht, in Kriege zu ziehen, resultiere aus den gelernten Lektionen im Irak und in Afghanistan.

Außenpolitscher Spagat

Nach Beendigung dieser beiden Kriege sei Obamas außenpolitische Strategie derzeit noch in einer Entwicklung begriffen, meint Michael Werz vom Washingtoner Thinktank "Center for American Progress." "Und das hängt nicht damit zusammen, dass es an Fantasie fehlt im Weißen Haus oder im Außenministerium der Vereinigten Staaten, sondern damit, dass wir uns in einer Übergangsepoche finden, in der nicht nur traditionelle Formen militärischer Auseinandersetzung nicht mehr funktionieren."

Michael Werz
Die USA befinden sich im Spagat, sagt WerzBild: Michael Werz

Die Schwierigkeit liege auch darin, "dass Konflikte asymetrisch geworden sind. Dass man mit militärischer Macht alleine Konflikte nicht mehr einhegen kann." Das sei die eine Dimension. "Die andere ist, dass es eine geografische massive Verschiebung gibt, die sich erst in ihren Anfängen abzeichnet hin zum pazifischen Raum."

Die Obama-Regierung habe versucht, mit verschiedenen Initiativen auf diese wirklich großen tektonischen Umbrüche zu reagieren. Zum einen versuche Obama, ein Netzwerk aus zukünftigen Partnern in demokratischen Staaten zu bilden. "Dazu gehören seine hohen politischen Investitionen in die Türkei, in Brasilien, in Indien und zum anderen eine Neuausrichtung der US-amerikanischen Außenpolitik im pazifischen Raum, insbesondere, was das Verhältnis zu China angeht."

Die Obama-Regierung ist außenpolitisch eingekeilt, so Werz. "Zwischen den alten Konflikten des 20. Jahrhunderts, also Palästina, der Nahe Osten - und den zukünftigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, im pazifischen Raum." Dieser Übergang werde noch einige Jahrzehnte dauern.