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Zensur im Film

9. Juli 2010

Provokation und Tabubruch gehören zum Film wie Eis zum Sommer. Immer wieder geraten Filmemacher in Konflikt mit Gesetz und Gesellschaft. Manchmal kann Filmzensur aber auch Leben retten, wie ein Beispiel aus Afrika zeigt.

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Jeseusdarsteller mit Regisseur Mel Gibson am Set von "Die Passion Christi" (Foto: AP Photo/Philippe Antonello)
Skandal vorprogrammiert: die Passion ChristiBild: AP

Filmemacher verletzten gern Tabus. Manchmal um gesellschaftliche Missstände anzuprangern, manchmal nur um Aufmerksamkeit zu erregen. So werden gerne Skandale initiiert oder zumindest akzeptiert, um die Werbetrommel zu rühren. Zwei Beispiele aus der jüngeren Zeit: Wenn Mel Gibson für "Die Passion Christi" die blutrünstigste Kreuzigung der Filmgeschichte inszeniert oder wenn Oliver Stone in "Natural Born Killers" ein Gangsterpärchen als Pop-Stars präsentiert, dann sind das Skandale mit Ankündigung. Schaut man sich dagegen Filme an, die in den 50er Jahren zensiert wurden, versteht man das heute kaum noch. In Ausnahmefällen kann Filmzensur aber auch heute sinnvoll sein.

Deutscher Skandal "Die Sünderin"

Der Film "Die Sünderin" war 1950 Auslöser für den ersten Filmskandal der jungen Bundesrepublik. Allerdings war es nicht - wie gemeinhin berichtet - die Tatsache, dass Hildegard Knef in dem Film in einer kurzen Szene mit nacktem Oberkörper zu sehen ist. Vielmehr erregte die Filmwächter, dass die Knef als Prostituierte arbeitet, um ihrem kranken Geliebten eine Operation zu ermöglichen und dem Todkranken dann auch noch beim Suizid hilft. Als damals die "Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft" (FSK) den Film trotz Bedenken ab 16 Jahren freigab, tobte ein Skandal durchs Land.

Hildegard Knef in "Die Sünderin" (Foto: Ullstein- thomas und thomas)
Hildegard Knefs Auftritt in "Die Sünderin" provozierte viele in der jungen BundesrepublikBild: ullstein - Thomas & Thomas

Sexualität war lange ein Tabuthema

Provokation und Tabuverletzung gehören zur Filmwelt wie Drehbuch und Kamera. So wollte die Filmemacherin Birgit Hein zum Beispiel Ende der 1960er Jahre den Film als neues Medium der Bildenden Kunst etablieren. Ein Angriff auf Hollywood und ein Kampf für eine neue Filmästhetik schwebten ihr vor. In Köln gründete sie mit Freunden 1968 "XScreen", ein Studio für unabhängige Filme: Sie organisierten Filmvorführungen im Wohnzimmer, im U-Bahnhof oder auch im Kino, zeigten filmische Experimente und forderten größere sexuelle Freizügigkeit im Film.

Ausschnitt aus Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers über XScreen ((Foto darauf: Birgit Hein/Kölner Stadt-Anzeiger)
Die XScreen-Vorführungen wurde in der Presse eifrig diskutiertBild: Kölner Stadt-Anzeiger/Birgit Hein

"Es gab zu dieser Zeit noch den Pornographieparagraphen“, erinnert sich Birgit Hein, "das heißt, es durften keine Filme mit explizit sexuellem Inhalt gezeigt werden. Es gab aber eine Gesetzeslücke: Wenn man einen Verein gründete, dann konnte man Vorführungen für bis zu 100 Personen machen und zeigen was man wollte. Und das war das Prinzip von "XScreen". Alle mussten Mitglied werden. Das kostete aber nur eine Mark, und wir hatten schnell 3.000 Mitglieder. Das Thema Sexualität war damals ein wichtiges Thema. Und das Thema Homosexualität, was bis dahin auch im Hollywoodfilm ein vollkommenes Tabu war, wurde auch zu einem Thema von deutschen Filmemachern, zum Beispiel für Rosa von Praunheim."

Zensur kann sinnvoll sein

Waren es in Deutschland oft sexuelle Inhalte, die zu Zensur oder Altersbeschränkung führten, gibt es in Afrika ganz andere Probleme. In Nigeria - nach Indien und den USA das drittgrößte Filmproduktionsland der Welt - gibt es zum Beispiel viele Aidswaisen, elternlose Kinder, die von Verwandten aufgenommen werden und die für ihre neuen Familien eine Belastung sind.

mehrere afrikanische Jungs blicken in die Kamera, Aufnahme aus Kenia (Foto: UNICEF)
In Afrika gibt es hundertausende Aids-WaisenBild: UNICEF

In Filmen, die die Zensur inzwischen verbietet, wurden sie oft als "Kinderhexen" stigmatisiert: "Plötzlich kommt so ein Film daher und sagt: 'Die Probleme kommen nur daher, weil dieses komische Kind zu uns gekommen ist. Seit dem haben wir diese Probleme. Aber wenn wir dieses Kind wegjagen, dann wird alles wieder gut!' Das ist der Inhalt von einigen Filmen, die sehr erfolgreich waren. Und seither gibt es Tausende von Kindern, die stigmatisiert wurden als Hexen", erläutert Dorothee Wenner, Afrika-Beauftragte der Berliner Filmfestspiele.

Internet als politische Plattform

Schließlich gibt es auch noch das Internet. Zwar ersetzt das Internet andere öffentliche Orte der Vorführung nur bedingt. Aber zum einen bietet es Filmemachern die Möglichkeit, ihre Werke unabhängig von kommerziellen Erwartungen veröffentlichen zu können. Zum anderen bietet es eine neue politische Plattform. Denn Zensur ist im Internet kaum möglich, und manchmal lässt sich dort sogar breiter politischer Widerstand organisieren.

Menschenmasse in Iran mit hochgehaltenen Kameras und Handys (Foto: AP)
Den Alltag beobachten und auf Film bannenBild: AP

So zeigten im letzten Jahr hunderte kurze Handyfilme die verbotenen Demonstrationen gegen das Regime im Iran und unterstützten die Grüne Bewegung von Oppositionsführer Mussawi. Den Machthabern in Teheran waren die Hände gebunden. Eine Zensur war in diesem Fall nicht möglich - glücklicherweise.

Autor: Bernd Sobolla

Redaktion: Jochen Kürten