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Zensur mit Hilfe des Urheberrechts?

Marcus Lütticke24. Januar 2014

Staatliche Stellen sind verpflichtet, den Bürgern Zugang zu amtlichen Informationen zu gewähren. Das besagt das Informationsfreiheitsgesetz. Doch die Veröffentlichung unliebsamer Akten stößt auf Widerstand.

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Symbolbild Datenschutz (Foto: picture-alliance/zb)
Bild: picture-alliance/ZB

Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen im Internet haben in den letzten Monaten immer wieder Schlagzeilen gemacht. In den meisten Fällen ging es dabei um Filme oder Musikstücke, die illegal aus dem Netz heruntergeladen oder weiterverbreitet wurden. Doch auch die Bundesregierung mahnt wegen Urheberrechtsverletzungen ab. Es geht um Akten aus dem Bundesministerium des Innern.

Das Ministerium hat das Internetportal FragDenStaat.de wegen der Veröffentlichung einer internen Stellungnahme abgemahnt, die das Ministerium zuvor einem interessierten Bürger hat zukommen lassen. FragDenStaat.de veröffentlicht Anfragen von Bürgern an staatliche Institutionen und deren Antworten. Die Plattform will damit einen Beitrag dazu leisten, "dass Bürger das Informationsfreiheitsgesetz einfacher nutzen können", erklärt Projektleiter Stefan Wehrmeyer im Gespräch mit der Deutschen Welle. Doch manchen Behörden scheint die Plattform bei Anfragen zu heiklen Themen ein Dorn im Auge zu sein.

Im konkreten Fall ging es um einen rechtliche Einschätzung des Bundesinnenministeriums zu der Frage, ob es bei den Europawahlen eine 2,5-Prozent-Sperrklausel geben dürfe. Die Juristen des Ministeriums äußerten in dem Papier die Auffassung, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jegliche Sperrklausel unzulässig sei. Jedoch beschloss der Deutsche Bundestag im Juni 2013, eine Drei-Prozent-Sperrklausel für die im Mai anstehenden Europawahlen einzuführen - ein Widerspruch zwischen der Einschätzung des Ministeriums und dem Handeln der Regierung.

Abmahnung durch das Innenministerium

Einem interessierten Bürger, der über die Plattform FragDenStaat.de beim Ministerium um Einsicht in diese Stellungnahme bat, wurde das betreffende Dokument auch ausgehändigt. Gleichzeitig teilte das Ministerium aber mit, "dass der Vermerk lediglich zu privater Kenntnisnahme, jedoch nicht zu Veröffentlichungszwecken nach dem IFG (Anm. d. Red.: Informationsfreiheitsgesetz) herausgegeben wird."

Stefan Wehrmeyer (Foto: Open Knowledge Foundation)
Kämpft für die Informationsfreiheit: Stefan Wehrmeyer von FragDenStaat.deBild: Open Knowledge Foundation

Die Macher von FragDenStaat.de wollten diese "willkürliche Beschränkung" jedoch nicht gelten lassen und veröffentlichten das Behördenpapier trotzdem - und wurden daraufhin von den Anwälten des Bundesinnenministeriums abgemahnt. Die Begründung: "Mit der Veröffentlichung der Stellungnahme auf Ihrer Webseite verstoßen Sie gegen die unserer Mandantschaft als Rechteinhaberin zustehenden Urheberrechte." Da das Dokument jedoch weiter im Netz ist, droht nun ein Gerichtsverfahren. Die Macher von FragDenStaat.de erhoffen sich dadurch rechtliche Klarheit: "Uns geht es darum, dass niemand Angst haben muss wegen des Urheberrechts abgemahnt zu werden, wenn er staatliche Dokumente veröffentlicht", sagt Stefan Wehrmeyer.

Auch das Bundesinnenministerium scheint eine Klärung des Sachverhaltes durch die Gerichte zu begrüßen. Auf DW-Anfrage teilt man schriftlich mit: "Das eingeleitete exemplarische Verfahren betrifft eine Reihe von rechtlichen Grundsatzfragen." Wegen des laufenden Rechtsstreits wolle man sich jedoch nicht zu weiteren Fragen äußern.

Urheberrecht bei staatlichen Akten?

Matthias Rossi, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht sowie Gesetzgebungslehre an der Universität Augsburg, hält eine juristische Klärung für überfällig. Nach seiner Auffassung macht es keinen Sinn, die Verbreitung von Dokumenten, die auf Anfrage jedermann ausgehändigt werden, zu untersagen: "Da könnte man sich gut auf den Standpunkt stellen, zu sagen, dann dürfen diese Informationen auch generell publiziert werden."

Prof. Matthias Rossi (Foto: privat)
Hält eine Klärung des Urheberrechts für geboten: Matthias Rossi von der Uni AugsburgBild: privat

Der entscheidende Punkt, so Rossi, sei jedoch die Frage, ob solche Akten überhaupt urheberrechtlich geschützt sind. Schließlich gehe es beim Urheberrecht weniger um den Inhalt beziehungsweise die Information selbst, als um die Darstellungsform. Eine Akte mit einer juristischen Einschätzung - wie in dem konkreten Fall - sieht Rossi nicht als urheberrechtlich geschützt. Er vermutet andere Gründe hinter der Abmahnung: "Das Urheberrecht wird in vielen Fällen nur vorgeschoben, um Informationen nicht oder nicht vollständig herausgeben zu müssen." Dennoch seien im Grundsatz auch staatliche Dokumente vorstellbar, die dem Urheberrechtsschutz unterliegen.

Beschränkungen der Informationsfreiheit

Häufig gebe es jedoch ganz andere Gründe, die gegen eine Veröffentlichung interner Papiere vorgebracht werden könnten. Denn das Informationsfreiheitsgesetz weist eine ganze Reihe von Einschränkungen auf. So besteht zum Beispiel kein Informationsanspruch, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf "internationale Beziehungen" oder "auf Belange der inneren oder äußeren Sicherheit" haben kann. Auch bei personenbezogenen Daten gibt es Einschränkungen. Die konkrete Beurteilung darüber obliegt immer der jeweiligen Behörde. Dem Bürger bleibt im Zweifel nur der Weg über die Gerichte.

Das Innenministerium hat im aktuellen Fall eine Akte bereitwillig herausgegeben - wie es das Informationsfreiheitsgesetz vorsieht. Es will das Dokument aber nicht veröffentlicht sehen und bezieht sich auf das Urheberrecht. Ob das wiederum rechtmäßig ist, wird möglicherweise auch ein Gericht klarstellen.