1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zentralasien im Fokus der Europäischen Union

2. November 2006

Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgisistan sind für die Europäische Union wichtige strategische Partner. Der Ausbau der Kontakte soll ein Kennzeichen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft werden.

https://p.dw.com/p/9KST
Bild: AP

Die fünf zentralasiatischen Republiken haben komplizierte, von Krisen gekennzeichnete Nachbarn - Iran und Afghanistan – und liegen im Spannungsfeld mehrerer Großmächte. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist der erste europäische Außenamtschef, der alle fünf Republiken besucht (30.10.-3.11.). Denn Deutschland ist gefordert.

Neue Strategie entwickeln

"Wir glauben, dass wir mit unseren intensiven Kontakten zu diesen Ländern gut geeignet sind, neues Vertrauen zu schaffen durch eine neue erweiterte Nachbarschaftspolitik", sagt Gernot Erler, der Staatsminister im Auswärtigen Amt. "Das gilt auch für Zentralasien." Deutschland habe traditionell gute Beziehungen zu den fünf zentralasiatischen Staaten – und ein vertrauensvolles Verhältnis zu den anderen großen politischen Akteuren in dieser Region, wie Russland, die Vereinigten Staaten und China. "Die anderen europäischen Staaten waren sofort einverstanden, als wir gesagt haben, wir wollen uns um eine neue EU-Strategie in Bezug auf Zentralasien bemühen", so Erler.

Politische Problemregion

Die Region ist einerseits politisch noch von der Vergangenheit geprägt und belastet, strebt aber andererseits wirtschaftlich energisch in die Zukunft. Alle fünf Republiken - Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan - waren Teil der Sowjetunion. Die Staaten sind seit 1991 unabhängig, doch innenpolitische Reformen kamen seither kaum voran. Im Gegenteil: Die fünf Staaten werden autokratisch regiert, überall grassieren Korruption und organisierte Kriminalität, überall gibt es massive rechtsstaatliche Defizite, die Menschenrechte spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Das sind Dinge, die die EU nicht einfach so hinnehmen kann. Denn Europa sucht in Zentralasien Verbündete im Kampf gegen den internationalen und den islamistischen Terrorismus. "Wir glauben, dass das zentralasiatische Gebiet für die Sicherheit auf dem ganzen eurasischen Kontinent wichtig ist", sagt Erler. "Zentralasien hat zwar nur annähernd 60 Millionen Einwohner, es kann aber trotzdem ein interessanter und wichtiger Partner für Europa werden."

Wirtschaftliche Interessen

Ein weiteres wichtiges Ziel ist der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen. Nicht zuletzt deshalb wurde Bundesaußenminister Steinmeier von einer großen Wirtschaftsdelegation begleitet. Das deutsche und europäische Interesse konzentriert sich dabei auf Kasachstan. Das riesige, dünn besiedelte Land erlebt derzeit wegen seiner enormen Öl- und Gasvorkommen einen regelrechten Wirtschaftsboom. Es wird als "Lokomotive der Region" bezeichnet.

Der kleinere Nachbar Turkmenistan ist einer der größten Gasförderstaaten der Welt - dort herrschen jedoch geradezu bizarre politische Verhältnisse. Präsident Nijasow pflegt einen grotesken Personenkult. Überall stehen goldene Statuen, die den Staatschef zeigen, seine Dichtung "Ruchnama" ist Pflichtlektüre an den Schulen. Oppositionsparteien sind nicht zugelassen. Das Land hat sich vollständig abgeschottet. Trotz der großen Gasvorkommen zählt es zu den ärmsten Staaten der Erde.

In wirtschaftlicher Hinsicht wenig interessant sind Kirgisistan und Tadschikistan: In beiden Staaten leben viele Menschen unter der Armutsgrenze. In Kirgisistan kommen die politischen Reformen, auch nach der so genannten "Nelkenrevolution" vom März 2005, nicht voran.

Drehkreuz Usbekistan

Mit Usbekistan verbindet Deutschland der gemeinsame Anti-Terror-Kampf. Der Stützpunkt Termes dient als Drehkreuz für den Afghanistan-Einsatz, 300 deutsche Soldaten sind dort stationiert. Dieses deutsche Engagement wird mit Blick auf die verheerende Menschenrechtssituation in Usbekistan immer wieder kritisiert. "Wir haben nicht vor, darauf irgendeine Rücksicht zu nehmen wegen Termes", sagt Erler. "Eine bewusste aktive Isolierungspolitik haben wir aber auch nicht vor." Es sei sinnvoller, im Dialog zu bleiben und zum Beispiel anzusprechen, wie Usbekistan mit internationalen Nichtregierungsorganisationen umgeht. "Ich habe zum Beispiel dafür geworben, dass Human Rights Watch sein Büro in Termes weiterführen kann, und ich habe hier eine positive Antwort von Staatspräsident Karimov bekommen", berichtet Erler.

Cornelia Rabitz
DW-RADIO/Russisch, 29.10.2006, Fokus Ost-Südost