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Politik

Zentralrat der Juden: "Es ist fünf nach Zwölf"

9. September 2018

Nach den rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz hat sich jetzt auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in die Debatte eingeschaltet. Er kritisierte Politiker und Behörden scharf.

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Josef Schuster - Präsident des Zentralrats der Juden
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

"Die Berichte vom Angriff von Neonazis auf das koschere Restaurant 'Schalom' in Chemnitz haben mich erschüttert", erklärte Schuster. "Für die Versuche einiger Politiker und Vertreter der Sicherheitsbehörden, die Lage in Chemnitz schön zu reden, habe ich kein Verständnis."

Ernsthafte Zweifel

"Wir müssen das Problem beim Namen nennen. Das erwarte ich vor allem von denen, die für die innere Sicherheit in Deutschland verantwortlich sind", mahnte Schuster. Es sei bereits "fünf nach Zwölf". In diesem Zusammenhang griff er indirekt Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen an, der nach eigenen Worten keine Belege für Hetzjagden in der sächsischen Stadt sieht und die Echtheit eines Videos dazu in Zweifel gezogen hat. "Die Bestrebungen der Verfassungsbehörden, die Vorfälle offensichtlich zu bagatellisieren, lassen mich ernsthaft an der Arbeit dieser Behörden zweifeln", sagte Schuster.

Noch deutlicher wurde die SPD-Vizevorsitzende Malu Dreyer. Sie forderte den Rücktritt des Behördenchefs. "Herr Maaßen stellt die Glaubwürdigkeit von Politik, Medien und den vielen Augenzeugen infrage. Er schafft weitere Verunsicherung und zerstört damit Vertrauen in unseren Staat", sagte Dreyer, die auch rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin ist, der "Bild am Sonntag". "Ich glaube daher nicht, dass er noch der richtige Mann an dieser Stelle ist."

Nach der Tötung eines Deutschen vor zwei Wochen war es in Chemnitz zu Aufmärschen rechter Gruppen gekommen. Wegen der Tat sitzen zwei Asylbewerber in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen, einem Iraker, wird gefahndet.

Im Zuge der Ausschreitungen kam es am 27. August auch zu einer Attacke auf das jüdische Restaurant "Schalom", wie der Wirt in Medien bestätigte. Die Gaststätte wurde Medienberichten zufolge abends von einem Dutzend Neonazis angegriffen und auch mit Steinen beworfen. Der Eigentümer wurde an der Schulter verletzt.

Der Handel sorgt sich um den Wirtschaftsstandort

Der Handelsverband Deutschland warnte nach den Ausschreitungen in Chemnitz vor einem hysterischen "Klima der Angst" in Deutschland. "Alle, die das Bild eines toleranten Deutschlands stören, gefährden erheblich unser Zusammenleben und auch den Wirtschaftsstandort", schrieb der Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft seien gefordert, Ausgrenzung und wachsender Verunsicherung in der Gesellschaft entschieden entgegenzutreten, mahnte Sanktjohanser. Die Gesellschaft dürfe nicht zulassen, dass "rechte Kreise" den Eindruck erzeugten, Intoleranz sei hierzulande an der Tagesordnung. Der HDE-Präsident verwies auf den drohenden massiven Fachkräftemangel in Deutschland. Die Unternehmen könnten nicht länger auf das große Potenzial internationaler Arbeitskräfte verzichten.

haz/mak (rtr, dpa, epd)