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Zickzack auf der Zuckerinsel

Rafael Plaisant Roldão3. Februar 2013

Kubas Staatschef Raúl Castro wollte den Sozialismus "aktualisieren". Doch fünf Jahre nach seinem Machtantritt als Reformer hat sich das Leben der Menschen auf der Insel kaum verändert.

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Kubanischer Präsident Raul Castro (Foto: dapd)
Kubanischer Präsident Raul CastroBild: dapd

Ein Kulturzentrum im Herzen Havannas sorgte im Juli 2012 für negative Schlagzeilen. Ausgerechnet das Kulturprojekt "El Cabildo", das mit einer "Straßenoper" das kubanische Nachtleben bereicherte und als erfolgreiches Beispiel für die neue Ära privater Unternehmensgründungen galt, wurde überraschenderweise geschlossen.

Für viele Kubaner ist der Vorfall ein Symbol für den wirtschaftspolitischen Zickzackkurs der Regierung unter Staatspräsident Raúl Castro. Seit der Bruder von "Kommandant" Fidel Castro im Februar 2008 offiziell die Führung übernahm, stehen die Zeichen auf Reform. Doch bei genauer Betrachtung hat sich kaum etwas verändert. Bei der Wahl des kubanischen Volkskongresses am Sonntag (03.02.2013) bestätigt sich das Bild des Stillstands: Für die 612 Sitze des Einkammerparlamentes gibt es genau 612 Kandidaten - selbstverständlich nur aus der kommunistischen Partei.

Präsident Raúl Castro (r.) und sein Bruder Fidel beim Parteikongress in Havanna im April 2011 (Foto: picture alliance/dpa)
Raúl (r.) und Fidel CastroBild: picture alliance / dpa

Mehr als 300 Reformprojekte

Dabei war der Einstand von Fidels Bruder in Havannas Machtzentrale verheißungsvoll. Der mittlerweile 81-Jährige war der erste kubanische Politiker, der die kommunistische Führungsriege dazu aufrief, mehr über die schwächelnde Wirtschaft nachzudenken als über die Errungenschaften der Revolution.

Über 300 Reformprojekte wurden von Raúl Castro angestoßen, darunter eine Kampagne gegen staatliche Korruption sowie der Dialog mit der katholischen Kirche. Außerdem begrenzte er die Amtszeiten von Mandatsträgern auf maximal zwei Legislaturperioden von jeweils fünf Jahren. International sorgte die kürzlich gewährte Reisefreiheit für Kubaner für große Aufmerksamkeit.

Bauer auf einem Ochsenkarren nahe Pinar del Rio im Westen Kubas (Foto: picture alliance/dpa)
In der Provinz ist von den Reformen wenig zu spürenBild: picture alliance / dpa

Wirtschaftlich betrieb Castro eine vorsichtige Öffnung. So unterstehen nicht mehr alle Staatsbetriebe einer ministeriellen Aufsicht und der private Handel mit Autos und Immobilien wurde erlaubt. Zudem stieg die Zahl der vor allem im Dienstleistungssektor tätigen Kleinstunternehmer zwischen 2010 und 2012 von etwa 160.000 auf 400.000.

Ein Schritt vor, zwei zurück

"Es wurden vernünftige Maßnahmen getroffen, aber die Reformen sind immer noch unzureichend und zu langsam", erklärt der kubanische Dissident Oscar Espinosa Chepe gegenüber der DW. Der Regimekritiker gehört zu den 75 Gefangenen, die im sogenannten "Schwarzen Frühling" 2003 vorübergehend festgenommen wurden. Nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers, der weiter auf Kuba lebt, hat sich durch die Reformen zwar "ein nichtstaatlicher Sektor, aber kein echter privater Sektor" herausgebildet. "Damit dieser Bereich nicht zu stark wächst und unter staatlicher Kontrolle bleibt, werden die Unternehmen stark besteuert", so Chepe.

Der Exilkubaner Arturo López-Levy geht in seiner Kritik noch einen Schritt weiter. "Die typischen Schwächen einer Planwirtschaft sind alle noch vorhanden", meint López-Levy, Autor des 2011 in den USA erschienenen Buches "Raúl Castro and the New Cuba". "Die Regierung wird tiefere Einschnitte vornehmen müssen, denn es gibt noch keinen Übergang in Richtung Marktwirtschaft."

Kein anderes Wirtschaftsmodell

Solange Raúl Castro die Regierungsgeschäfte auf der Insel führt, wird sich nach Einschätzung von Experten an diesem Dilemma nichts ändern. So werden Reformen von der kommunistischen Führungsriege bewusst als "Aktualisierung des Sozialismus" gedeutet, und nicht als ein möglicher Übergang zu einem anderen Wirtschaftsmodell.

Hinzu kommen die internen Machtkämpfe in der kommunistischen Partei sowie die exzessive Bürokratie, die viele Kubaner im Alltag immer wieder zur Verzweiflung bringen.

Lachender Kubaner hält seinen Pass in die Kamera (Foto: picture alliance/dpa)
Auslandsreisen sind mittlerweile möglich - doch nur für wenige bezahlbarBild: picture-alliance/dpa

Die Begeisterung über die seit Mitte Januar gewährte Reisefreiheit hat sich bereits gelegt und ist der bitteren Erkenntnis gewichen, dass bürokratische Vorschriften und wirtschaftliche Gründe genauso hinderlich für eine Ausreise sein können wie politische Einschränkungen. Denn für die meisten Kubaner ist es nicht nur kompliziert, einen Pass oder ein Visum zu beantragen, sondern auch schwierig, Geld für ein Flugticket aufzubringen.

Opfer des eigenen Erfolgs

Das Kulturzentrum "El Cabildo" bekam staatliche Willkür und Bürokratie ebenfalls zu spüren. Unter dem Vorwurf, sich selbst bereichert zu haben, wurde dem damaligen Direktor Ulises Aquinoin nach nur zehn Monaten die Lizenz entzogen. Der Erfolg der "Straßenoper" mit mehr als 150 Angestellten, die deutlich mehr verdienten als die anderen Einwohner Havannas, schien der kommunistischen Nomenklatura ein Dorn im Auge zu sein.

Auf der Insel ist man sich einig, dass die ohnehin schon schwache Wirtschaft nicht nur unter dem eigenen politischen Stillstand leidet, sondern auch unter Abhängigkeit von Venezuela. Nach Ansicht von Regimekritiker Oscar Espinosa Chepe beunruhigen viele seiner Landsleute die Gerüchte um den kranken Staatspräsidenten Hugo Chávez und die politisch unsichere Zukunft der Erdöl-Nation. Der eventuelle Verlust der venezolanischen Unterstützung wird sogar als gravierender eingestuft als der Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Parlamentswahlen könnten die letzte Runde im Machtkarussell der alten Männer einläuten.