1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zivilcourage zeigen

Heinrich Bergstresser10. Dezember 2002

Am Dienstag (10.12.) ist der Tag der Menschenrechte. Damit erinnert die Weltgemeinschaft an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die die UNO am 10. Dezember 1948 verabschiedete. Heinrich Bergstresser kommentiert.

https://p.dw.com/p/2yl0

Für eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik sind schwere Zeiten angebrochen, angesichts des Säbelrasselns und stillen aber zielgerichteten Aufmarsches amerikanischer und britischer Militärs am Golf. Man kann sogar von einer "politischen Regression" in der Frage der Menschenrechte sprechen. Denn ein eisiger Wind bläst dieser zivilisatorischen Errungenschaft direkt ins Gesicht und droht zugleich auch rechtsstaatliche Prinzipien aufs Abstellgleis zu schieben.

Als Idee hat sich der Menschenrechtsgedanke, so wie wir ihn heute kennen und wie er 1948 in der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" in der UN-Charta niedergelegt ist, in Europa herausgebildet. Aber den Siegeszug begann der Menschenrechtsgedanke in den USA, Jahre vor der Französischen Revolution. Denn schon zur Unabhängigkeit vom Britischen Empire 1776 spielten die in der "Bill of Rights" niedergelegten Grundrechte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer demokratisch verfassten Gesellschaft.

Die Amerikaner waren von jeher stolz auf diese zivilisatorische Errungenschaft. Und sie betteten diese Errungenschaft nach den Schrecken der beiden Weltkriege auch ganz konsequent in das UN-Gedankengebäude ein. Von nun an bot die Menschenrechtserklärung einen zuverlässigen Gradmesser für die demokratische und zivilisatorische Entwicklung der internationalen Staatengemeinschaft. Und sie wurde ausgiebig und in zahlreichen Fällen auch erfolgreich genutzt, Nadelstiche gegen Diktatoren zu verteilen und politische Aktionen gegen repressive Regime einzuleiten.

Nun aber droht im Kontext des internationalen Terrorismus und eines möglicherweise gerechtfertigten - aber niemals gerechten Krieges gegen den Irak - denn den gibt es nicht - den Menschenrechten und Bürgerlichen Freiheiten selbst in den Ursprungsregionen Europa und USA düsteres Ungemach. Denn wenn es in den nächsten Wochen und Monaten so weiter geht wie bisher, gehen diese Rechte und Freiheiten bis auf weiteres zum Teufel.

Die beiden Geheimgerichte in den USA und der Versuch, eine Parallel-Justiz für Terroristen, des Terrorismus Verdächtige und besonders unliebsame Kritiker aufzubauen, weist in diese Richtung und erinnert an die Inquisition oder an die McCarthy-Zeit zu Beginn der Kalten Krieges. Die Verbreitung von Schrecken-Szenarien, die Benutzung Furcht einflößender Drohungen und der politische Liebensentzug der US-Regierung als Mittel zur Durchsetzung äußerst fragwürdiger, wahrscheinlich sogar unsinniger Ziele, wird die bürgerlich gesinnten Schichten in aller Welt noch teuer zu stehen kommen. Denn mit welchen Menschenrechts-Argumenten will man den Mugabes, Musharrafs, den Jiangs etc. entgegen treten, wenn an der Heimatfront Menschen - und Bürgerrechtsgedanken nur noch eine Statistenrolle spielen.

So wie die Dinge liegen, hat sich der Menschenrechtsgedanke auf die Ebene der weltweiten zivilgesellschaftlichen Bewegung verlagert. Aber diese Bewegung ist noch fragmentiert und schwach, doch keineswegs hilflos und besonders in der zivilisierten Welt gefordert, Zivilcourage zu zeigen. Die Staatengemeinschaft wird es ihr früher oder später danken, und die Zivilgesellschaft insgesamt kann und muss diese schwierigen Zeiten nutzen, sich gegenüber Regierungen und Diktatoren weiter zu profilieren, um schließlich gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen.