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Advent, Zu Bethlehem geboren, Friedrich Spee, Une Petite Feste

Marita Berg6. Dezember 2013

Zu den Adventstagen erzählen wir in einer vierteiligen Reihe die Geschichten von bekannten Weihnachtsliedern und beleuchten politische, romantische und kulturhistorische Zusammenhänge. (Teil 2)

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Eine Frau steht an einer Gaslaterne, man sieht nur ihren langen, weiten Rock.
Bild: Fotolia/steschum

Frankreich, 1599: Hätte es damals schon eine Hitliste der populärsten Lieder gegeben, das erotische Chanson “Une Petite Feste“ wäre sicher unter den Top Ten zu finden gewesen. Das Lied kursierte in zahlreichen Handschriften durchs Land. Die Franzosen liebten die Geschichte um das Tête-à-Tête zwischen Knecht Pierre und seiner heimlichen Geliebten: Angeblich auf der Flucht vor dem bösen Wolf, vergnügen sich die Beiden unter dem weiten Rock der Dame. "'Hebt Euren Rock! Und verbergt mich darunter!' - Er spannte seinen Bogen und schoss viermal...", lautet der Text.

Potenter Pierre

Rund 30 Jahre später kämpften Schweden, Franzosen, Spanier, Niederländer und Deutsche auf den Schlachtfeldern des 30jährigen Krieges. Fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung starb durch Hunger, Seuchen und Gewalt. Ähnlich wie "Lili Marleen" im Zweiten Weltkrieg entwickelte sich damals das eingängige "Une Petite Feste" zum internationalen Hit, der in den Feldlagern französischer und deutscher Soldaten gesungen wurde. Ob allerdings die Deutschen den zweideutigen Text über den potenten Pierre auch verstanden haben, ist nicht bekannt.

Gezeigt wird der Notentext des französischen Chansons "Une Petite Feste" aus dem 16. Jahrhundert.
Frivoles Lied im Krieg

'Pestilenzisch Gifft'

Der Jesuitenpater Friedrich von Spee jedenfalls schien den frivolen Inhalt des Chansons durchschaut zu haben. Er wetterte gegen dieses "pestilenzisch Gifft", wie er es nannte, und veröffentlichte schon 1637 einen neuen Text zur bekannten Melodie: "Zu Bethlehem geboren". Das neue Lied fand schnell Aufnahme in die Kirchengesangbücher.

Zur damaligen Zeit war Pater Spee europaweit bekannt: Als Seelsorger und Beichtvater kämpfte er gegen den Hexenwahn. In seiner Schrift "Cautio criminalis" brandmarkte er 1631 die Hexenverfolgung als Sünde, forderte faire Bedingungen für die als Hexen angeklagten Frauen und Unterlassung jeglicher Folter.

Kupferstich zeigt Folterszene aus dem Mittelalter in Friedrich Spees "Cautio criminalis"
Folter im Mittelalter

Beruhigendes Schlaflied

Mit der Umdichtung des frivolen Schlagerimports “Une Petite Feste“ zum weihnachtlichen Wiegenlied schlug Friedrich von Spee gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Moraltheologe hatte nicht nur die Weiterverbreitung des anzüglichen Chansons gestoppt, sondern mit seinem neuen Text in Kriegszeiten auch den Leidenden Mut zugesprochen und ihrer Sehnsucht nach Frieden Ausdruck verliehen. So wurde aus der ursprünglich lüsternen Liedzeile “Pierre, Pierre! Lasst mich eng bei euch sein!“ der bekannte Refrain “Eia, eia“ - angelehnt an den beruhigend wirkenden Singsang, mit dem Mütter ihre Kinder in den Schlaf wiegen.

Ölgemälde von Jesuitenpater Friedrich von Spee
Friedrich von Spee: Theologe und KämpferBild: gemeinfrei

Klingelnde Wiegen

Das Lied mit diesem Refrain passte zu einen uralten Brauch aus dem 14. Jahrhundert - dem "Kindlwiegen": Vor allem in den Niederlanden und im Rheinland, aber auch in Süddeutschland und Tirol wurde zu Weihnachten auf den Kirchenaltaren eine Krippe mit dem Jesuskind aufgestellt. Doch die Kinder durften traditionell ihre eigenen kleinen Spielzeugwiegen mit in die Weihnachtsgottesdienste bringen. Wenn dann der Priester zum "Eia, eia" der Gemeinde die große Wiege bewegte, durften sie ihre kleinen Wiegen mit Glöckchen schaukeln, so dass es in der ganzen Kirche klingelte. Der Brauch lebt heute in Bayern wieder auf.