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Zu schön, um wahr zu sein oder die Taufe Jesu

10. Januar 2015

Die Taufe Jesu im Jordan: Bußakt eines ängstlichen Sünders oder Aufbruch in Liebe? Christian Feldmann betrachtet in dem Beitrag der katholischen Kirche den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu.

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Symbolbild Taufe Taufbecken
Bild: Fotolia/Rony Zmiri

Ein finsterer Mann mit verfilztem Haar prophezeit am Jordan schreckliche Katastrophen, ja den Weltuntergang. Doch es gibt eine Rettung: Buße muss man tun. Ihr Zeichen ist die Taufe, das große Reinigungsbad.

Was am morgigen Sonntag in den evangelischen und katholischen Kirchen auf dem Programm der Schriftlesung steht (Mk 1,7-11), genau das erzählt die 2002 verstorbene Autorin Luise Rinser in ihrem Roman „Mirjam“. Sie erzählt es aus der Perspektive der Maria Magdalena – Mirjam aus Magdala.

Mirjam zeigt sich im Roman skeptisch: „Man steigt ins Wasser, der Täufer schüttet aus seiner Muschelschale Jordanwasser über das geneigte Haupt, und schon ist man rein. Als ob sich solche Umkehr im Handumdrehen vollzöge. Als ob die äußerliche Reinigung schon auch die innerliche wäre. (…) Welche Anmaßung! (…) Da fiel mein Blick auf einen, der in der Reihe der Wartenden stand. Der passte nicht zu den andern. Der war keiner der kleinen ängstlichen Sünder. Auch dem Täufer fiel er auf.“1)

Eine sonderbare Begegnung, erinnert sich Mirjam. Es ist ganz offensichtlich, dass Johannes der Täufer einen gewaltigen Respekt vor diesem Mann hat, so sehr, dass er sich weigert, ihn zu taufen. „Der andre aber bestand darauf“, heißt es weiter im Roman. „Schließlich gab der Täufer nach und schüttete das Wasser über den andern. In diesem Augenblick riss ihm etwas das Gesicht nach oben. Er sah etwas, aber was? Da war etwas, das unser aller Blicke hinaufzog, und es war nichts und doch war etwas. (…) Etwas berührte uns.“

Eine merkwürdige Geschichte

Die Evangelien sind nicht so dezent. Sie notieren: Gottes Geist sei auf Jesus herabgekommen und eine Stimme aus dem Himmel habe verkündet: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ Wobei offen bleibt, ob nur Jesus und Johannes diese Stimme gehört haben oder die ganze Menschenmenge am Jordan.

Es bleibt eine merkwürdige Geschichte, irritierend, irgendwie unlogisch. Denn die von Johannes vollzogene Taufe war ja ganz eindeutig ein Bild für die Umkehr eines reuigen Sünders. Wie wir uns unter die Dusche stellen, um Schweiß und Schmutz loszuwerden, so stiegen die Leute damals in das Jordanwasser, um schlechte Gewohnheiten, falsche Lebensziele, die Schuld einer verpfuschten Existenz abzulegen. Kein schlechtes Symbol. Eine sprechende Geste auf jeden Fall. Aber was tut Jesus am Jordan? Hat er das nötig? Er, in dem Gott berührbar wird, ein menschliches Antlitz bekommt? Was tut er mitten unter den Sündern?

Vielleicht ist genau das die Botschaft dieser verstörenden Geschichte: Mitten unter den Sündern will er wohnen, der Gott, der hier zwar aus dem Himmel spricht, aber nicht im Himmel bleiben will, fern von der Welt und ungerührt vom Elend seiner Menschenkinder. Nicht nur ein bisschen zu Gast möchte er sein auf der armen Erde. In Jesus von Nazareth wird er Mensch mit allen Konsequenzen, einer von den Hilflosen, von den Verzweifelten, einer von denen, die immer hinter den eigenen Träumen und Idealen zurückbleiben. Einer von den Sündern.

Statt Angstmache, Aufbruch in Liebe

Der Tiefenpsychologe unter den Theologen, Eugen Drewermann, dem man nicht jedes Wort glauben muss, von dem man sich aber zum Nachdenken einladen lassen darf, Drewermann bietet eine interessante Erklärung der Geschichte an: Die Bußpredigt und die Bußtaufe arbeiten beide mit Mahnungen, Drohungen, Forderungen. Auf diese Weise treibt man einen Menschen noch tiefer in seine Schuldverstrickung hinein wie einen Alkoholiker, dem man sinnlose Vorwürfe macht. Ganz anders Jesus. Er setzt nicht auf Angstmache und ein schlechtes Gewissen, er ermuntert dazu, sich vertrauensvoll Gott in die Hände zu geben, sich von ihm in ein neues Leben führen zu lassen.

Wenn nun Jesus die Bußtaufe am Jordan empfängt, dann unterläuft er laut Drewermann die Strategie des Johannes, der bei Moralpredigten und Drohungen stehenbleibt. Und siehe da, der Himmel öffnet sich. Die Barriere zwischen Gott und Mensch verschwindet. Gott selbst erklärt den Menschen, zu seinem geliebten Sohn, der ihm rückhaltlos vertraut, der sein Leben aus Liebe, nicht aus Angst ändern will.2)

Das gilt nicht nur für Jesus am Jordan. Nicht aus Angst, sondern aus Liebe ein Leben ändern – das gilt für uns alle.

  1. Luise Rinser: Mirjam. S. Fischer Verlag, 31983, 40 ff.
  2. Vgl. Eugen Drewermann: Das Markusevangelium. Erster Teil: Mk 1,1 bis 9,13. Walter 4 1989, 127-141.

Zum Autor: Christian Feldmann, Theologe, Buch- und Rundfunkautor, wurde 1950 in Regensburg geboren, wo er Theologie (u. a. bei Joseph Ratzinger) und Soziologie studierte. Zunächst arbeitete er als freier Journalist und Korrespondent, u. a. für die Süddeutsche Zeitung. Er produzierte zahlreiche Features für Rundfunkanstalten in Deutschland und der Schweiz und arbeitete am „Credo“-Projekt des Bayerischen Fernsehens mit. In letzter Zeit befasst er sich mit religionswissenschaftlichen und zeitgeschichtlichen Themen in der Sparte „radioWissen“ beim Bayerischen Rundfunk. Zudem hat er bisher 51 Bücher publiziert. Dabei portraitiert er besonders gern klassische Heilige und fromme Querköpfe aus Christentum und Judentum. Feldmann lebt und arbeitet in Regensburg.

Deutschland Christian Feldmann
Christian Feldmann, RegensburgBild: privat

Redaktionelle Verantwortung: Alfred Herrmann, Dr. Silvia Becker, Katholische Hörfunkarbeit