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Mehr Kontrolle, weniger Risiko

Daphne Grathwohl11. Oktober 2012

Mehr Kontrolle, mehr Kapital und die Möglichkeit, pleitegefährdete Investment-Bereiche abzuspalten. So soll der EU-Bankensektor in der Finanzkrise stabilisiert werden. Bankenvertreter Gerhard Hofmann sieht das kritisch.

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Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Volksbanken und Raiffeisenbanken Foto: BVR
Bild: BVR

DW: Herr Hofmann, kürzlich wurden in Brüssel die so genannten Liikanen-Pläne vorgestellt. Sie sehen eine Trennung des risikoreicheren Investment-Bankings vom traditionellen Privatkundengeschäft vor. Die deutsche Kreditwirtschaft ist skeptisch. Warum?

Gerhard Hofmann: Es gibt keine strikte Ablehnung, aber verschiedene kritische Einwände: Die zentrale Frage ist, ob die von der Liikanen-Gruppe vorgeschlagene Auslagerung von Handelsaktivitäten einer Bank tatsächlich die Risiken für das Finanzsystem als Ganzes senken würde. Alle sind dafür, dass das Problem des so genannten "Too-big-too-fail", also dass eine Bank zu groß ist, um aus dem Markt auszuscheiden, gelöst wird. Aber es ist nicht klar, ob die Liikanen-Vorschläge dafür hilfreich sind. Wir müssen natürlich alle Vorschläge prüfen, aber der Liikanen-Plan ist in hohem Maße politisch motiviert. Ob er tatsächlich diesen Erfolg bringt, müsste erst noch analysiert werden.

Liikanen selbst gibt auch zu, dass das Trennbanksystem die Finanzkrise nicht verhindert hätte. Lehman Brothers in den USA war zum Beispiel eine reine Investment-Bank und hat trotzdem massive systemische Risiken ausgelöst. Umgekehrt gab es auch eine Reihe Geschäftsbanken, zum Beispiel Washington Mutual oder auch den Hypothekenfinanzierer Countrywide, die durch ihre Insolvenz systemische Risiken ausgelöst haben

Auch in den USA und in Großbritannien gibt es Vorschläge zu einem Trennbankensystem. Doch die deutsche Kreditwirtschaft argumentiert, dass das nicht zum deutschen Bankensystem passt. Warum sollte in Deutschland ein Trennbankensystem Schaden anrichten?

Es gibt in Deutschland eine lange und sehr erfolgreiche Tradition des Universalbank-Prinzips. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg über viele Jahrzehnte hinweg wurde dieses Prinzip – auch politisch - sehr hoch gehalten und als sehr vorteilhaft angesehen, um die optimale Versorgung der Wirtschaft und der Privatkunden mit Finanzdienstleistungen zu gewährleisten. Auch der Risikoausgleich wurde positiv gesehen. Wichtig ist, dass die Finanzkrise und die Staatsschuldenkrise nichts mit dem Trennbankensystem oder dem Universalbankensystem zu tun haben.

Ein Bagger arbeitet in Frankfurt am Main, waehrend im Hintergrund die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB, l.) zu sehen ist. (Foto: Mario Vedder/dapd)
Banken vor dem Umbau?Bild: dapd

Parallel gibt es andere Bestrebungen in Sachen Bankenregulierung. Unter anderem sollen die Banken – vereinfacht zusammengefasst –  mehr Eigenkapital anhäufen, um Risiken besser abfedern zu können als in der Vergangenheit. Ist denn das Ihrer Meinung nach ein Instrument gegen die Finanzkrise?

Wir stehen dem grundsätzlich positiv gegenüber, auch wenn die Kapitalanforderungen, die derzeit gestellt werden, eine große Herausforderung für viele Banken darstellen. Aber es ist notwendig, um das Bankensystem weiter zu stabilisieren und um Vertrauen zurück zu gewinnen.

Seit kurzem ist der ESM in Kraft, der auch Banken unter die Arme greifen soll, aber nur in Kombination mit einer starken Bankenaufsicht. Europas Banken stehen dem kritisch gegenüber – die deutschen Banken auch?

Da haben wir ein geteiltes Bild: Große Banken, die grenzüberschreitend in Europa tätig sind, finden die europäische Aufsicht durch die EZB grundsätzlich gut. Auch hier gibt es aber Detailfragen zu lösen. Kleine, regional tätige Banken stellen die Aufsicht durch die EZB in Frage. Aber grundsätzlich wird diese Initiative unterstützt oder neutral behandelt. Was man aber ablehnt, sind die Haftungselemente: Eine grenzüberschreitende Haftung  zwischen Bail-Out-Fonds für Banken in verschiedenen Ländern oder – noch schlimmer – eine grenzüberschreitende Haftung für die Einlagensicherung. Beides wird zwar im Moment nicht diskutiert, aber die EU-Kommission sieht sie in sehr engem Zusammenhang zur europäischen Bankenaufsicht.

Auf dem EU-Gipfel Mitte Oktober wird es auch um die Bankenaufsicht gehen, die Anfang 2013 – in drei Monaten – ihre Arbeit aufnehmen soll. Für wie wahrscheinlich halten Sie das?

Viele europäische Länder wollen, dass die Bankenaufsicht ihre Arbeit Anfang 2013 aufnimmt - gerade wegen des bereits erwähnten Zusammenhangs zwischen ESM und Bankenaufsicht. Dann könnten nämlich zum Beispiel spanische Banken über den ESM rekapitalisiert werden. Deutschland wünscht sich eine hohe Qualität der europäischen Bankenaufsicht. Aber der Druck auf die deutsche Bundesregierung, möglichst rasch die Aufsicht in Kraft zu setzen, wird enorm groß sein. Man bräuchte meiner Meinung nach viel mehr Zeit, aber politisch gesehen ist es nicht einfach, sich so viel Zeit zu nehmen.

Gerhard Hofmann ist Vorstandsmitglied des Bundesverbands der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Er vertritt derzeit die Deutsche Kreditwirtschaft.

Das Interview führte Daphne Grathwohl.