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Zukunftsforscher Opaschowski setzt auf die Jugend

11. Oktober 2018

Die Deutschen blicken voller Ungewissheit in ihre Zukunft, sagt der Hamburger Zukunftsforscher Horst Opaschowski. So entstehen kollektive Ängste. Auch weil die Politiker Antworten schuldig bleiben.

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Deutschland Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski
Bild: picture-alliance/dpa

Professor Horst Opaschowski zählt zu den führenden Zukunftsforschern Europas. Viele seiner Thesen, die er schon in den 1970er und 80er Jahren zur Arbeits- und Freizeitgesellschaft formuliert hat, stimmen bis heute. In seinen Bestsellern und Vorträgen analysiert Opaschowski die Stimmungen der Deutschen und lenkt den Blick auf bevorstehende Veränderungen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Deutsche Welle: Herr Opaschoswki, Sie beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit den Stimmungslagen der Deutschen. Ist Angst etwas typisch Deutsches?

Horst Opaschowski: Angst wird gerne mit dem Begriff "German Angst" verwendet und hat es so zu internationaler Berühmtheit gebracht. Natürlich gibt schon eine Besonderheit, eine deutsche Krankheit. Das liegt daran, dass die Deutschen aufgrund ihrer Geschichte, der Kriegs- und Nachkriegserfahrung, nicht so abgesichert sind wie andere Länder. Deutschland ist ein Mieterland. Die Deutschen haben es versäumt, Rücklagen zu bilden.

Was bereitet uns am meisten Sorgen?

In Deutschland breitet sich eine Zukunftsungewissheit aus. Die Wiederaufbaugeneration war ja von dem Gedanken beseelt, unseren Kindern soll es einmal besser gehen. Heute heißt es eher: Unseren Kindern darf es nicht schlechter gehen! In Zeiten von Putin, Trump oder Erdogan sind die Sorgen vor einer ungewissen Zukunft sehr groß. Dass es uns im Moment gut geht, wissen wir ja. Aber die Sorge vor der Zukunft wird immer größer.

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Auch wenn sie hier lächeln: Die Politik von Erdogan und Trump macht vielen Deutschen Sorge Bild: picture-alliance/Anadolu Agency/Turkish Presidency

Was muss eigentlich passieren, damit viele etwas gleichzeitig als bedrohlich empfinden?

Da muss einiges zusammenkommen: Zum einen wollen die Menschen ihren Lebensstandard erhalten. Das muss der Staat ihnen versprechen. Aber der Anteil, der daran glaubt, dass das eingehalten werden kann, wird immer kleiner. Die Bevölkerung ist sich ihres Wohlstands nicht mehr sicher. Schlaraffenland ist abgebrannt!

Und wie entsteht daraus eine pessimistische Grundstimmung?

Je besser es den Menschen geht, desto größer ist häufig die Unzufriedenheit. Das hat mit den eigenen Ansprüchen zu tun. Statt Zukunftsoptimismus entsteht dann Zukunftspessimismus. Hinzu kommt, dass die Politik bisher keine Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen gibt - vom Wohnen über die Rente, die Gesundheitsvorsorge bis hin zur Pflege - von den materiellen Rücklagen mal ganz abgesehen.

Nehmen wir die Angst vor Überfremdung. Wer oder was verstärkt solche Ängste – allein die bösen Medien?

Nein, Fremdheitsgefühle sind den Menschen per se nicht fremd. Das hat es zu allen Zeiten gegeben. Ich bin in Schlesien geboren, was heute Polen ist. Die Flüchtlinge, die nach dem Krieg im eigenen Land ankamen, waren damals auch nicht gerne gesehen. Ich bin als Zukunftsforscher ein Optimist. Nur braucht alles seine Zeit. Nichts geht von heute auf morgen!

Derweil profitieren die Rechtspopulisten?

Richtig, weil die Rechtspopulisten die Ängste und Sorgen der Menschen aufgreifen, auf die die etablierten Parteien bisher keine Antworten geben.

Teilnehmer einer Demonstration der islamfeindlichen Pegida-Bewegung stehen anmit Deutrschlandfahnen  an einer Straßenkreuzung.
Pegida-Demonstration: Rechtspopulisten schüren Ängste vor Flüchtlingen Bild: picture-alliance/dpa/dpa-Zentralbild/S. Kahnert

Was ist Ihr Rezept für mehr Optimismus?

Wir müssen vorrangig Familien,- Nachbarschafts- und Generationenbeziehungen fördern. Soziale Vorsorge ist der Grundbaustein für den Zusammenhalt der Zukunft. Soll heißen: Wir brauchen mehr Rücklagen und wir brauchen mehr Rückhalt.

Nun sind Sie zwar kein Prophet, aber doch ein profilierter Zukunftsforscher. Was erzählen Sie Ihren fünf Enkeln – seid optimistisch? Oder: Zieht Euch warm an?

Zunächst mal: Zieht Euch warm an, die Zeiten werden nicht rosiger. Aber andererseits: Bleibt bei Eurer Meinung! Die junge Generation sagt: Wir wissen um all die Krisen in Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft. Aber wir wollen dennoch das Beste aus unserem Leben machen und blicken positiv in die Zukunft. Die Jugend ist ein Hoffnungsträger, und ich will dafür sorgen, dass es auch so bleibt.

Horst W. Opaschowski, Jahrgang 1941, gründete 1979 das BAT Freizeit-Forschungsinstitut, das 2007 in die Stiftung für Zukunftsfragen umgewandelt wurde. Heute ist er Berater für Politik und Wirtschaft und leitet das Hamburger Opaschowski Institut für Zukunftsfragen.