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Zurück in der Bundesliga

Olivia Gerstenberger4. Mai 2014

Köln schafft zum fünften Mal die Rückkehr in die Bundesliga. Das Gründungsmitglied will sich langfristig etablieren und den Nimbus der Fahrstuhlmannschaft ablegen. Dabei hilft ausgerechnet ein Düsseldorfer.

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Die Mannschaft des 1. FC Köln mit der Meisterschale der 2. Liga (Foto: Jürgen Schwarz/Bongarts/Getty Images)
Bild: Schwarz/Bongarts/Getty Images

Selbst im überfüllten Entmüdungsbecken tritt Jörg Schmadtke scherzhaft auf die Euphoriebremse: "Ruhig, ganz ruhig", versucht der Kölner Sportdirektor seine Spieler einzubremsen und verdreht lächelnd die Augen, als diese ihn mit freudetrunkenen Jubelgesängen übertönen. Der Aufstieg ist da gerade einmal wenige Minuten alt. Ins Planschbecken war er unfreiwillig gelangt - die Spieler hatten ihn nach dem Sieg gegen Ingolstadt kurzerhand hineingeworfen. Schmadtke wird dafür sorgen, dass sie in den kommenden Monaten wieder auf den Boden der Bundesliga-Realität zurückfinden. Doch nun ist die Zeit der Feste.

Denn zwei Wochen später ist Köln immer noch im Ausnahmezustand: Der FC verabschiedet sich beim letzten Heimspiel der Saison im restlos ausverkauften Stadion mit einem 4:0-Kantersieg gegen den FC St. Pauli von seinen Fans. Nach dem Abpfiff steigt die Aufstiegsfeier. Die schönsten Momente der Aufstiegssaison flimmern über die Stadionleinwände, die Fans skandieren "Nie mehr 2. Liga, nie mehr, nie mehr!". Dann ist der große Moment gekommen: Kölns Kapitän Miso Brecko, der für dieses Spiel gesperrt war, reckt unter tosendem Gejohle die Zweitliga-Meisterschale in den blauen Himmel von Müngersdorf, ein Gänsehaut-Moment. Man bekommt einen Vorgeschmack darauf, was geschehen könnte, wenn der 1. FC Köln mal wieder einen großen Titel holt. Der letzte liegt viele Jahre zurück: 1983 gewann der FC den DFB-Pokal. Der Rest ist Jubel: Vier Kölner Bands schmettern ihre Lieder auf einer Bühne im Innenraum, die Fans liegen sich in den Armen und singen schunkelnd mit. Auch ein Rathausempfang ist in den nächsten Tagen geplant, die Stadt steht Kopf. Der 1. FC Köln, bis 1998 neben dem Hamburger SV das einzige Gründungsmitglied der Bundesliga, das durchgehend in der 1. Liga gespielt hatte, ist wieder zurück.

Vom "Real Madrid des Westens" zur Fahrstuhlmannschaft

Nach dem Spiel 1. FC Köln gegen Bayern München am 05.05.2012 zünden die Kölner Fans Rauchbomben und Leuchtraketen (Foto: picture alliance / M.i.S.-Sportpressefoto)
Abstiegsfrust 2012: die Südkurve im Kölner StadionBild: picture alliance / M.i.S.-Sportpressefoto

Einst spielte der FC um die Meisterschaft und war regelmäßig in den europäischen Wettbewerben vertreten. In den 60er Jahren bezeichnete man den ersten Bundesliga-Meister auch mal als "Real Madrid des Westens". Doch auch wenn viele noch in den längst verstaubten Erinnerungen schwelgen - das ist lange her. Spätestens seit 1998 ging dem Verein nicht nur die Konstanz verloren: Fünf Abstiege und fünf Aufstiege verursachten etliche Spielertransfers und zahlreiche Trainerwechsel - es ging von der Rückkehr Lukas Podolskis über die Verpflichtung ehemaliger Leistungsträger wie Evanilson, Jörg Heinrich, Petit oder Maniche, die teuer bezahlt wurden und doch keine Leistung brachten. Alte Haudegen wurden als "Feuerwehrmänner" verpflichtet, darunter Ewald Lienen, Friedhelm Funkel oder Huub Stevens und der vermeintliche Heilsbringer Christoph Daum, der immer wieder selbst für Schlagzeilen sorgte. Über die Jahre der Misswirtschaft häufte sich ein enormer Schuldenberg an, der den 1. FC Köln 2014 noch immer belastet. Glaubt man den Kölner Verantwortlichen, soll sich das langfristig ändern, man ist jedoch nicht so unvorsichtig wie die Vorgänger und stellt einen Fünf-Jahres-Plan zur Rückkehr in den Europapokal auf. Der Klassenerhalt soll es erst einmal sein - dauerhaft.

Der letzte Abstieg im Jahr 2012 brachte die Wende. Der schwarze Rauchbomben-Nebel vor der Südtribüne und die Ausschreitungen im Stadion setzten einen unrühmlichen Schlusspunkt unter eine katastrophale Saison. Seitdem hat sich einiges getan, der gesamte Verein hat sich neu erfunden. Die Verantwortungsträger wurden allesamt ersetzt, der Kader neu aufgestellt. Timo Horn, der überragende Torwart der 2. Liga, stammt aus dem eigenen Nachwuchs und spielt seit zwölf Jahren für seinen Verein, um nur ein Beispiel zu nennen. Mit Patrick Helmes wurde ein treffsicherer Bundesliga-Stürmer an den Rhein zurückgeholt - ein Schachzug Schmadtkes, der aus Düsseldorf stammt. Ausgerechnet, denn Köln und die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt hegen traditionell eine gegenseitig gepflegte Abneigung. Schmadtke hat schon oft sein glückliches Händchen unter Beweis gestellt, nun soll es im Team mit Kaderplaner Jörg Jakobs und Geschäftsführer Alexander Wehrle funktionieren, der die Mammutaufgabe stemmen muss, die Verbindlichkeiten von über 30 Millionen Euro abzubauen. Nur der Verbleib in der Bundesliga gewährleistet langfristig eine Perspektive, den Schuldenberg zu verringern. Jetzt interessieren sich wieder Sponsoren für den FC, die TV-Einnahmen steigen in der 1. Liga, doch die Stadionpacht ebenfalls. Darauf hatte man sich in den klammen Zweitliga-Zeiten mit der Stadt Köln geeinigt.

Erstligatrainer Stöger?

Kölns Sportdirektor Jörg Schmadtke (l.) und Trainer Peter Stöger (Foto: Johannes Simon/Bongarts/Getty Images)
Erfolgsduo aus Düsseldorf und Wien: Sportdirektor Jörg Schmadtke (l.) und Trainer Peter StögerBild: Getty Images

Seit dem drittletzten Spieltag laufen also die Kaderplanungen für die kommende Erstliga-Saison, es muss einiges verändert werden, denn die Spielweise des FC war nicht immer überzeugend. Vor allem mit einer soliden Abwehr und dem Bestwert von nur 18 Gegentoren in 33 Spielen erarbeiteten sich die Kölner Platz eins, von dem sie seit dem zehnten Spieltag mit nur einer Ausnahme (15. Spieltag, 1. FC Kaiserslautern) nicht mehr verdrängt werden konnten und bereits am 31. Spieltag Aufstieg und Zweitligameisterschaft perfekt machten. Mit nun 68 Zählern auf dem Konto hat der Verein die Bestmarke von 67 aus der Saison 2004/2005 übertroffen und ist mit dem zehnten Heimsieg nun sowohl das beste Heim- als auch Auswärtsteam.

Interessant wird es werden, wie es läuft, wenn sich die ersten Misserfolge einstellen. Trainer Peter Stöger, der für den Zweitligisten 1. FC Köln seinen Verein Austria Wien und damit die Teilnahme an der Champions League sausen ließ, vermittelt eine so gesunde Gelassenheit, dass man glaubt, auch das könnte funktionieren. Sein Draht zur Mannschaft war stets freundschaftlich-warm, aber auch resolut. Seine Einwechselspieler dankten es ihm mit Toren, auch die kritisierten Stürmer schöpften Selbstvertrauen aus seiner Abgeklärtheit. Der Österreicher strahlt eine Demut aus, die man beim 1. FC Köln lange vermisst hat. Und er ließ sich schnell auf seine neue Heimat ein - inklusive Karneval, Brauhausbesuche, Medienrummel. Der Verein hatte den weitgehend unbekannten Österreicher für 700.000 Euro aus dem Vertrag gekauft, ein Risiko, das sich bezahlt gemacht hat.

In der 1. Liga wird seine Idee vom Offensivfußball auf die Probe gestellt werden, denn die Gegner werden sich anderes verhalten als in der Vergangenheit: Sie verlegen sich nicht mehr auf das Kontern. Der 1. FC Köln wird zeigen müssen, dass er länger in der Bundesliga bestehen kann als nur vier Jahre wie zuletzt zwischen 2008 und 2012. Das geht nur mit solider, ehrgeiziger und langfristiger Arbeit. Die Fans, die mit einem Schnitt von über 46.000 Zuschauern pro Heimspiel für einen Zweitligarekord und sowieso immer schon für erstklassige Verhältnisse sorgen, sind endlich wieder grundoptimistisch - und realistisch. Die schöne Stadt am Rhein wird besungen, auch beim Fanmarsch zum Stadion vor der Partie, an dem mehrere Tausend Fans teilnahmen. Die Choreographie vor dem Anpfiff und die Partystimmung sorgten für Gänsehaut. "Der FC ist wieder da" haben sie auf ein rotes Transparent geschrieben. Vom viel zitierten Europapokal singt man in Müngersdorf höchstens nur noch selbstironisch. Aber die 2. Liga - die sollte es dann doch am liebsten "nie mehr" sein.