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Zurück zu den Wurzeln

Andreas Sten-Ziemons3. April 2013

In Hoffenheim wird aufgeräumt. Mit Markus Gisdol als neuem Trainer besinnt sich der Club auf den Weg, für den er einst viel Anerkennung bekam. Das war überfällig, findet DW-Reporter Andreas Sten-Ziemons.

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Themenbild Kolumne Flügelzange (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Bild: DW

Trainer Marco Kurz und Manager Andreas Müller sind bei 1899 Hoffenheim entlassen worden. In den verbleibenden sieben Saisonspielen soll nun der unerfahrene Markus Gisdol den Vorletzten der Tabelle wieder in die Spur bringen. Eine Panikreaktion eines abstiegsbedrohten Bundesligisten auf die Talfahrt der vergangenen Wochen? Nein, auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag. Aber der Entschluss, die sportlichen Geschicke in die Hände Gisdols zu legen ist im Grunde ein guter, weil konsequenter Schritt. Ein Schritt, der allerdings einige Jahre zu spät kommt.

Von 2009 bis 2011 trainierte Gisdol die 2. Mannschaft der Hoffenheimer. Damit wäre er schon im Januar 2011 ein geeigneter Kandidat gewesen, als Nachfolger des entlassenen Ralf Rangnick das Hoffenheimer Bundesliga-Team zu übernehmen und die erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers fortzuführen. Stattdessen kam der erfolglose Marco Pezzaiouli (bis Sommer 2011), gefolgt von den ebenfalls erfolglosen Holger Stanislawski (bis Februar 2012), Markus Babbel (bis Dezember 2012) und zuletzt Marco Kurz. Im Schnitt alle fünf bis sechs Monate ein neuer Chefcoach – hinzu kam der eine oder andere Sportdirektor Alle durften kurz an der ehemals erfolgreichen Mannschaft herumdoktern, mit dem Ergebnis, dass sie heute keine mehr ist. Gisdols Name wurde bei jedem Trainerwechsel als einer der möglichen Kandidaten gehandelt, allerdings ohne dass der Verein sich je getraut hätte, den als Bundesliga-Chefcoach noch unerfahrenen Trainer auch tatsächlich zu verpflichten. Bis jetzt.

Junge Talente und attraktiver Fußball

Markus Gisdol (Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)
"Als ich noch hier war, war es eine andere Zeit in Hoffenheim", sagt Markus GisdolBild: Bongarts/Getty Images

Nun kehrt ein Trainer nach Hoffenheim zurück, der in den vergangenen Monaten mit Wehmut aus der Ferne beobachtet haben muss, wie sich das Projekt Hoffenheim, an dem er selbst lange mitgewirkt hatte, Schritt für Schritt von seinen Wurzeln entfernt hat. "Als ich noch hier war, war die Zeit in Hoffenheim noch eine ganz andere", sagte der 43-Jährige bei seinem Antritt. "Es hat sich viel getan in den letzten zwei Jahren, aber es hat sich leider nicht arg viel nach vorne entwickelt." Recht hat er. Nach dem Aufstieg in die 1. Liga begeisterte die junge Mannschaft mit offensivem Hurra-Fußball und war 2008 sogar Herbstmeister. Immer wieder schafften junge Spieler den Sprung in die erste Mannschaft und von dort in die U21- oder sogar die A-Nationalmannschaft. Aber die Zeit der Rudys, Comppers und Weis' im Nationaltrikot ist vorbei. Seitdem Kapitän Andreas Beck im November 2010 sein letztes A-Länderspiel bestritt, ist kein Hoffenheimer mehr für Deutschlands Nationalelf aufgelaufen. Auch das ist symptomatisch.

Die A-Jugend der Hoffenheimer gehört anders als der Profi-Kader nach wie vor zu den Besten der Bundesliga. Allerdings fehlte jahrelang ein Coach, der den vielen Talenten den Weg in den Profibereich ebnete. Stattdessen wurden oftmals teure ausländische Spieler verpflichtet, die die Erwartungen meist nicht erfüllten. Gisdol hat sich nun ausdrücklich auf die Fahnen geschrieben, wieder auf junge Spieler zu setzen und attraktiven Fußball zu spielen. "Das war Hoffenheims Identität, dafür haben wir bundesweit Anerkennung bekommen", sagt er. Die aufs Neue geschlossene Verbindung Hoffenheim-Gisdol passt – sie dürfte Früchte tragen, wenn man ihn in Ruhe seine Arbeit machen lässt. Und dabei wäre es auch egal, wenn der Weg zurück zu den Wurzeln kurzzeitig durch die 2. Liga führen würde. Anders als seine Vorgänger weiß Gisdol nämlich genau, worum es in Hoffenheim geht – beste Voraussetzungen dafür, dass der x-te Neuaufbau bei 1899 endlich gelingt.