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Zuwanderer und Kriminalität

Azer Slanjankic3. Februar 2016

Durch Asylbewerber nehme die Kriminalität zu, so die übliche Behauptung von Rechtspopulisten. Die Statistik belegt das nicht. Aber ein kleiner Teil der Zuwanderer vom Balkan bereitet der Polizei große Probleme.

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Taschendieb Symbolbild (Foto:Foto: Frank Mächler dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Ich stehle regelmäßig, um mir mehr leisten zu können", sagt eine junge Bosnierin unverhüllt Ende November 2015 für das Polizeiprotokoll am Hauptbahnhof in Essen. Sie wurde beim Taschendiebstahl mit einem Komplizen auf frischer Tat ertappt. Bisher hat man in Deutschland die Angaben über die Nationalität der Kriminellen mit den Daten über Zuwanderung und Flüchtlingszahlen nicht verknüpft. Nun hat die Polizei in Köln das getan: Sie hat statistisch erfasst, welche Nationalität illegal eingereiste Personen haben, die später kriminell wurden. Der Bericht für den Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015. wurde in "Forum", dem Mitarbeitermagazin der Polizei, veröffentlicht.

Deutschland Razzia in Düsseldorf - "Maghreb-Viertel" (Foto: Maja Hitij/dpa)
Die meisten kriminellen Flüchtlinge kommen aus Nordafrika und vom BalkanBild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Keine Chance, keine Perspektive

Das Ergebnis zeigt, dass eine pauschale Vorverurteilung von Flüchtlingen ungerecht ist. Ein großer Teil der Flüchtlinge wird nach der Registrierung keineswegs straffällig. Bemerkenswert ist, dass die eingereisten Syrer, Iraker oder Afghanen fast gar nicht in den Statistiken vorkommen. Von über 1100 Syrern in Köln sind nur fünf polizeilich auffällig geworden. Das sind nicht einmal 0,5 Prozent.

Ganz anders ist es bei Personen aus Marokko, Algerien oder Tunesien. Die "Tatenquote" bei Nordafrikanern beträgt nicht weniger als 40 Prozent. Auf ähnliche Quoten kommen Asylbewerber aus Bosnien-Herzegowina und Montenegro. Bei diese Gruppe kommen besonders häufig Delikte wie Diebstahl aus Kraftfahrzeugen, Ladendiebstahl oder Raub vor.

Es handelt sich meistens um junge Männer, erwähnt Martin Lülsdorf von der Gewerkschaft der Polizei in Köln: "Die haben keine Chance auf Asyl, dürfen hier nicht arbeiten, haben keine Perspektive, nicht in ihrer Heimat und nicht in Deutschland, so dass sie sich ihren Unterhalt mit kriminellen Delikten finanzieren." Die Polizei in Köln hebt besonders die Tatsache hervor, dass diese Statistik nichts mit den sexuellen Übergriffen während der Silvesternacht zu tun hat.

Wohnungseinbrüche in Schleswig-Holstein

Eine andere Art von Statistik hat die Polizei in Schleswig-Holstein aufgestellt. In diesem Bundesland hat sich die Zahl der Wohnungseinbrüche im Laufe des Jahres 2015 erhöht. Es wurden knapp 8600 Fälle registriert, 1100 mehr als ein Jahr zuvor.

"Die Zahlen zeigen, dass einige wenige Zuwanderer vom Balkan maßgeblich für den Anstieg im Bereich der Einbruchszahlen verantwortlich sein dürften“, sagt der Innenminister von Schleswig-Holstein, Stefan Studt. Die Polizei spricht von "räuberischen Zügen durch Städte und Gemeinden" und von etwa 100 organisierten "Diebesbanden". Die seien sehr gut organisiert und schwer zu fassen. Die Aufklärungsquote ist niedrig, rund neun Prozent.

Diebesbanden vom Balkan

Bis Ende November 2015 haben Ermittler 221 Personen identifiziert, die relevant für die Wohnungseinbrüche sind. 80 davon besitzen als Asylsuchende oder Flüchtlinge eine sogenannte "Zuwanderungsrelevanz". Unter den nichtdeutschen Personen stammen 135 vom Balkan, 27 aus osteuropäischen Staaten. Besonders oft sind Täter albanischer Herkunft im Visier der Polizei.

"Alle elf Einbrecherbanden, gegen die wir landesweit in Schleswig-Holstein ermitteln, bestehen aus Asylbewerbern vom Balkan", sagte ein Beamter der LKA.

Keine Stigmatisierung der Flüchtlinge

Stefan Studt will trotzdem vermeiden das man alle Flüchtlinge über den gleichen Kamm schert: "Bei uns in Schleswig-Holstein sind etwa 50.000 Menschen untergebracht, und wir haben keine erhöhte Kriminalität im Umfeld von Erstaufnahmeeinrichtungen festgestellt."

Gleichzeitig warnt Studt, dass die wenigen, die die Gastfreundschaft dieses Bundeslandes missbrauchen, "hier nicht willkommen sind". Er hat angekündigt, dass die Polizei personell verstärkt wird, besonders bei den Ermittlungen in den Fällen von "gewerbsmäßigen Handlungen" bei den Einbrüchen. Andererseits wünscht sich Studt Unterstützung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF. "Wir sollen in Zusammenarbeit mit dem BAMF die Asylanträge von diesen Menschen bevorzugen und Asylverfahren beschleunigen. Durch die Beschleunigung der Bearbeitung bekommen wir, wenn Ausreisepflicht festgestellt wird, die Möglichkeit einer Rückführung dieser Personen aus Deutschland."

Warum so etwas helfen könnte, schildert der Fall eines 20-jährigen Albaners. Er hält sich seit Ende 2014 im Norden Deutschlands auf, hat aber erst im vergangenen November einen Asylantrag gestellt. In der Zwischenzeit schloss er in insgesamt 25 Fällen Bekanntschaft mit der Polizei, meistens wegen Wohnungseinbrüchen.

Offenes Europa ist ein hohes Gut

Stefan Studt lehnt die Begrenzung der Visumsfreiheit für die Westbalkanländer ab, aber von den Behörden dieser Länder erwartet er doch eine gewisse Hilfe: "Wenn es passiert, dass jemand aus dem Westbalkan ausreisepflichtig ist und seine Dokumente vernichtet, dann brauchen wir schnell Passersatz. Ich möchte nicht, dass die Menschen generell unter Reiserestriktion leiden, ich möchte, dass wir uns im freien Europa frei bewegen können."

Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) (Foto: Carsten Rehder/dpa)
Stefan Studt: "Einbrecherbanden vom Balkan"Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Bisher gibt es nur wenige aussagekräftige Statistiken über den Zusammenhang zwischen der Zahl der Flüchtlinge und Kriminalität. Eine Studie des Bundeskriminalamtes vom November 2015 hat gezeigt, dass "Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie die hiesige Bevölkerung“. Wirklich solide Daten darüber könne man vielleicht erst in etwa sechs Monaten bekommen, behauptet ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. "Bei Strafanzeigen können nämlich die Polizisten bundesweit seit dem 1.1.2016 auch das Merkmal 'Flüchtling' ankreuzen."