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Politik

"Urplötzlich in den Sturzflug"

26. Juli 2017

Die Ursache für den Absturz eines Bundeswehrhubschraubers in Mali ist noch völlig offen. Sicher scheint nur: Die beiden Soldaten an Bord des "Tiger" hatten keine Chance.

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Kampfhubschrauber Tiger - Truppenübungsplatz in Munster
Kampfhubschrauber Tiger (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa/M. Gambarini

Hinweise auf eine Fremdeinwirkung lägen bisher nicht vor, sagte der Stellvertreter des Generalinspekteurs, Vizeadmiral Joachim Rühle. Der Kampfhubschrauber vom Typ Tiger sei am Mittwoch gegen 14.20 Uhr (Ortszeit) 70 km nördlich von Gao abgestürzt. Der Hubschrauber sei ausgebrannt, es habe keinen Notruf aus der Maschine gegeben. Kräfte der UN-Mission wurden zur Absturzstelle beordert.

Die Untersuchungen zu dem Vorfall dauern an. Der Pilot eines zweiten Tigers, der unmittelbar hinter der Unglücksmaschine flog, berichtete nach Informationen des "Spiegel", der Tiger sei "urplötzlich und ohne einen Notruf mit der Nase nach vorne abgekippt und dann sofort im Sturzflug zu Boden gegangen".

Ursula von der Leyen
Ursula von der LeyenBild: picture alliance/dpa/B. Pedersen

Der Hubschrauber stürzte bei der Beobachtung von Kampfhandlungen am Boden ab, sagte ein Sprecher des UN-Generalsekretärs in New York der dpa. Rettungskräfte seien zur Unfallstelle geschickt worden. Der malische Armeesprecher Diarran Koné sagte der Deutschen Welle, Rebellengruppen hätten sich am Boden Kämpfe geliefert. "Es gab Kämpfe zwischen zwei bewaffneten Gruppen. Die Soldaten waren dort zum Überwachungseinsatz", sagte Koné. "Es ist zu bedauern, dass solche tödlichen Situationen vorkommen durch die Aktionen der Rebellengruppen. "

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen würdigte den Einsatz der getöteten Soldaten und sagte: "Der Tod dieser Männer im Dienste unseres Landes trifft uns alle tief und er macht und unendlich traurig." Sie verneige sich vor den Leistungen und dem Opfer der Soldaten. Ihr tiefes Mitgefühl gelte den Angehörigen. Der Vorfall zeige ein weiteres Mal, wie viel die Soldaten zu geben bereit seien. Sie habe mit Kanzlerin Angela Merkel telefoniert, Merkel habe sie gebeten, ihr tief empfundenes Mitgefühl zu übermitteln. 

Fragen von Journalisten wollte von der Leyen am Mittwochabend nicht beantworten. Die Untersuchungen hätten gerade erst begonnen. Die Ministerin bat um Verständnis, dass mit der gebotenen Ruhe und Sorgfalt die Absturzursache aufgeklärt werde.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte mit großer Trauer auf die Nachricht aus Mali. "Meine besondere Anteilnahme und mein Mitgefühl gelten den Familien der Verstorbenen und allen, die ihnen nahe standen." Dieser tragische Vorfall zeige einmal mehr, "mit welchem hohen persönlichen Risiko der Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten verbunden ist", sagte das Staatsoberhaupt.

UN-Generalsekretär António Guterres übermittelte dem neuen deutschen UN-Botschafter Chistoph Heusgen sein Beileid. Zugleich dankte Guterres Deutschland bei dem Treffen mit Heusgen am Mittwoch in New York für sein Engagement in den Friedensmissionen der Vereinten Nationen. 

Es handelt sich um die ersten Todesfälle der Bundeswehr in einem Auslandseinsatz seit fast zwei Jahren. Zuletzt waren im September 2015 deutsche Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen. Dort starben seit 2002 insgesamt 56 Soldaten der Bundeswehr. 

Mali gilt seit längerem als der derzeit gefährlichste Einsatz der Bundeswehr. Bislang waren die deutschen Soldaten dort aber verschont geblieben. An der Mission beteiligen sich derzeit 875 Bundeswehr-Soldaten. Die Truppe ist in der ehemaligen Rebellenhochburg Gao stationiert. 

Karte Mali Gao
Bild: DW

Die Mission Minusma der Vereinten Nationen soll zur Stabilisierung Malis und zur Umsetzung eines Friedensabkommens beitragen. Nach Angaben der Bundeswehr umfasst sie derzeit rund 13.000 Blauhelm-Soldaten und knapp 2000 Polizisten. Die Bundeswehr kann sich mit bis zu 1000 Soldaten an dem Einsatz beteiligen, das Mandat erlaubt auch den Einsatz von Waffen. 

Der Norden Malis war 2012 vorübergehend in die Hände islamistischer Extremisten und anderer Rebellengruppen gefallen, sie konnten aber nach einer Intervention französischer Streitkräfte zurückgedrängt werden. Gruppierungen wie Al-Kaida terrorisieren den Norden Malis schon lange. Extremisten greifen dort immer wieder UN-Friedenstruppen und malische Streitkräfte an. Es kam aber auch immer wieder zu Anschlägen im Zentrum und Süden, etwa im November 2015, als Terroristen das Radisson-Hotel in Bamako angriffen und rund 20 Menschen töteten. 

Vier Tiger-Kampfhubschrauber der Bundeswehr sind in Mali im Einsatz, sie waren im Frühjahr im nordhessischen Fritzlar für den Einsatz in Westafrika verladen worden. Außerdem sind vier NH90-Transporthubschrauber dort, etwa um Verwundete auszufliegen. Bei einem Hubschrauberabsturz im Norden Malis im März waren zwei niederländische Blauhelmsoldaten ums Leben gekommen. Die Besatzung habe aus unbekannten Gründen nahe der Stadt Gao eine Notlandung versucht, dabei sei der Hubschrauber abgestürzt. 

Probleme mit dem Tiger

Ein Bundeswehr Kampfhubschrauber des Typs Tiger im malischen Gao (Archivbild)
Ein Bundeswehr Kampfhubschrauber des Typs Tiger im malischen Gao (Archivbild)Bild: picture-alliance/Bundeswehr/M. Tessensohn

Laut einer Mitteilung von Minusma deuteten erste Erkenntnisse auf technisches Versagen als Ursache des aktuellen Absturzes hin. Sollte sich dies bestätigen, könnte das von der Leyen politisch enorm unter Druck setzen. Sie hatte in ihrer Amtszeit immer wieder die Bedeutung guter Ausrüstung der Soldaten im Einsatz betont. Mit dem Tiger gab es aber immer wieder Probleme. Zuletzt fehlten Piloten, um das Gerät zu fliegen. Der "Expertiseverlust" werde zunehmend zu einem "flugsicherheitsrelevanten Thema", hieß es im Juni in einem internen Bericht des Kommandos Heer, aus dem der "Spiegel" zitiert hatte. Eine Handvoll Piloten werde für alle Übungs- und Schießvorhaben sowie Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen herangezogen. Sie würden der hohen zeitlichen Belastung nicht mehr standhalten, hieß es in dem Bericht. 

Bedenken gab es auch wegen der Einsatzbereitschaft der Hubschrauber in der westafrikanischen Hitze. Der Inspekteur des Heeres hatte eine Ausnahmegenehmigung für den Flug unter hohen Temperaturen erteilt, bevor sie am 1. Mai einsatzbereit gemeldet wurden. Zunächst galt eine maximale Temperaturobergrenze von 43,26 Grad Celsius für den Start der Hubschrauber. Dieser Maximalwert, der sich je nach Luftdruck und Flughöhe berechnet, wurde für den Einsatz in Mali um fünf Grad angehoben. 

rb/stu/qu (afp, dpa, dw)