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Zwei gegen die Siedlungspolitik

Richard A. Fuchs, Berlin 19. April 2016

Palästinenser-Präsident Abbas sucht in Berlin Unterstützer gegen Israels Siedlungspolitik. In Merkel findet er eine Verbündete, die die offene Konfrontation scheut. Für den Friedensprozess bedeutet das weiter Stillstand.

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Mahmud Abbas (links) bei Kanzlerin Merkel in Berlin Foto: AFP / TOBIAS SCHWARZ
Im Grundsatz sind sie sich einig: Mahmud Abbas und Kanzlerin Merkel lehnen Israels Siedlungspolitik abBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Wie es aussieht, wenn man auf der Stelle tritt, das konnte man am Dienstagnachmittag im Berliner Kanzleramt beobachten. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas war auf Staatsbesuch zu Kanzlerin Angela Merkel gekommen. Noch vor Jahren wäre ein solcher Gast hierzulande von vielen Hoffnungen begleitet worden. Hoffnungen, beispielsweise auf einen erfolgreichen Abschluss beim Friedensprozess in Nahost. Jetzt erkennt man auf den Gesichtern von Merkel und dem Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde Züge von Ratlosigkeit. Der Grund: Der Friedensprozess mit Israel steckt seit zwei Jahren praktisch fest - wird von beiden Seiten massiv torpediert.

Während auf der einen Seite in Israel immer wieder Opfer von Terroranschlägen zu beklagen sind, zuletzt am Montag bei einem Attentat auf einen Bus in Jerusalem, zerstört Israels Premier Benjamin Nethanjahu zeitgleich jeden Tag von Neuem die Hoffnungen auf ein zusammenhängendes Staatsgebiet für einen unabhängigen Staat Palästina. Israels Siedlungspolitik, die auch vom engsten Verbündeten USA deutlich abgelehnt wird, hat zum Stillstand der Friedensverhandlungen beigetragen. Zusammen mit der Gewaltwelle, bei der seit Oktober 201 Palästinenser und 28 Israelis starben, scheint der Friedensprozess damit im luftleeren Raum festzustecken.

Das Frack eines zerstörten Bus in Jerusalem - nach einem Bombenattentat Foto: REUTERS/Ronen Zvulun
Neuer Anschlag, wieder zerstörte Hoffnungen: In Jerusalem explodiert eine Bombe in einem BusBild: Reuters/R.Zvulun

Zurück zum (Friedens)Prozess

So still es um diese Verhandlungen geworden ist, so diplomatisch korrekt wird jetzt darüber gesprochen. Für Kanzlerin Merkel bedeutet das, man müsse "jede auch noch so unwahrscheinliche Möglichkeit nutzen", um zurück zu einem "politischen Prozess" zu kommen. Dazu gelte es, die "Sprachlosigkeit" hinter sich zu lassen. Weitere Worte wie "Chance, Initiative und Hoffnung" fallen aus dem Mund der Kanzlerin. Klingt alles nicht zupackend? Soll es womöglich auch nicht. Denn die Kanzlerin signalisiert ihrem palästinensischen Gast auch, dass sie im Grundsatz mit seiner Kritik an der israelischen Siedlungspolitik übereinstimmt. Im Grundsatz. Statt einer scharfen Verurteilung kommt ihr dann aber nur der Passus "kontraproduktiv" als Antwort auf den Siedlungsbau über die Lippen. In den Ohren von Mahmud Abbas dürfte das wenig überzeugend klingen. Der nennt den Siedlungsbau "das größte Problem für den Weltfrieden überhaupt".

Und diesem Problem will er Herr werden, in dem er eine 13. UN-Resolution gegen die israelische Siedlungspolitik anstößt und um Unterstützung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wirbt. Ob Deutschland die Initiative der Palästinenser unterstützen wird, ließ die Kanzlerin offen. Russland zeigte sich entscheidungsfreudiger. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte Abbas am Montag bei Gesprächen in Moskau seine Unterstützung für die UN-Resolution zu.

Bundespräsident Joachim Gauck schüttelt Mahmoud Abbas die Hand Foto: dpa/K. Nietfeld
Am Morgen empfing Präsident Gauck den Gast aus PalästinaBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

"Wir wollen diplomatischen Widerstand leisten"

Eine Initiative der französischen Regierung, den festgefahrenen Friedensprozess wieder durch internationale Mehrparteiengespräche in Gang zu bringen, begrüßten Abbas und Merkel gleichermaßen. Auch wenn ihre Aussagen darauf hindeuten, dass keiner von beiden dadurch substantielle Fortschritte erwartet. Abbas hatte in einer Rede im Oktober den Friedensprozess mit Israel faktisch für beendet erklärt. Seine Worte damals, sie spiegeln das Zerwürfnis auch heute sechs Monate später wieder. "Es ist nicht mehr sinnvoll, Zeit auf Verhandlungen zu verschwenden, nur um zu verhandeln." Israels Premier Benjamin Nethanjahu hatte mit scharfer Rhetorik geantwortet, bezichtigte Abbas der "Hetze und Lüge".

Ein Klima, das kaum Gespräche zulässt. Folgerichtig wandte sich das Gespräch zwischen Merkel und Abbas auch Fragen der Terrorismus-Bekämpfung zu. Dabei ging es um die wiederholten Terroranschläge in Israel, aber auch um die Rekrutierung junger Palästinenser durch die Terrormiliz "Islamischer Staat". Abbas sagte zu, dass seine Autonomiebehörde für "einen friedlichen und diplomatischen Widerstand gegen die israelische Besetzung" eintrete. "Wäre der Nahostkonflikt gelöst", mutmaßte er weiter, "dann wäre auch das Problem des Extremismus' zu Ende".

Abbas: Verwalter des Stillstands?

Abbas reist nach seinen Gesprächen in Berlin weiter nach New York, um die UN-Resolution gemeinsam mit Unterhändlern auf den Weg zu bringen. Nach Angaben eines palästinensischen Offiziellen soll der Schwerpunkt der Resolution auf der Illegalität der israelischen Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem liegen. Israel hatte im Sechstagekrieg von 1967 mehrere palästinensische Gebiete erobert, darunter das Westjordanland.

Ungewöhnlich offene Unterstützung kam von Seiten der amerikanischen Regierung für die palästinensische Sache. US-Vizepräsident Joe Biden sagte am Montag, innerhalb der US-Regierung herrsche eine "überwältigende Frustration" über das Verhalten der Regierung in Jerusalem. Der systematische Ausbau der jüdischen Siedlungen sei ein gefährlicher Schritt in Richtung einer "Einstaaten-Realität". Die letzten Treffen zwischen dem israelischen Premier und dem Palästinenser-Präsidenten hätten die US-Administration sogar noch mehr entmutigt, so Biden. Wer an diesem Dienstag in Berlin dabei war, der dürfte dem US-Vize ohne Umschweife zustimmen.