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Polizisten vor Gericht

27. März 2007

Auf der brennenden Matratze einer Gewahrsamszelle starb vor gut zwei Jahren ein 23-jähriger Mann aus Sierra Leone. In Dessau stehen deswegen zwei Polizisten vor Gericht. Internationale Beobachter verfolgen den Prozess.

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Ein Prozessbeobachter wird vor einem Metalldetektor abgetastet(Quelle: AP)
Scharfe Sicherheitsvorkehrungen im Dessauer LandgerichtBild: AP

Weil er den Feueralarm aus der Zelle des Gefangenen ignoriert haben soll, ist ein heute 46-jähriger Dienstgruppenleiter wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Mit ihm steht ein 44-jähriger Beamter vor Gericht, der beim Durchsuchen des betrunkenen Opfers ein Feuerzeug übersehen haben soll. Ihm wird fahrlässige Tötung zur Last gelegt.

Der Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh hatte für großes Aufsehen gesorgt. Der 23-Jährige war am 7. Januar 2005 festgenommen worden, nachdem er angeblich Frauen belästigt hatte. Weil er Widerstand leistete, fesselten die Polizisten Hände und Füße des Gefangenen an die Zellenpritsche. Trotz der Fesseln und fast drei Promille Alkohol im Blut soll er dann mit einem Feuerzeug die Matratze in Brand gesetzt haben. Der Staatsanwaltschaft und mehreren Gutachtern zufolge hätte der Mann gerettet werden können, wenn die Beamten rechtzeitig reagiert hätten.

Feueralarm zweimal ausgeschaltet

Der Dienstgruppenleiter bestätigte zu Prozessbeginn, dass er den Feuermelder der Zelle zweimal ausgeschaltet habe, da er von einem Fehlalarm ausgegangen sei. Er habe erst reagiert, als der Brandmelder des gesamten Zellentraktes angesprungen war - eine Rettung sei da jedoch wegen des Feuers nicht mehr möglich gewesen.

Der zweite Angeklagte wies alle Vorwürfe zurück. Er habe den Verhafteten gründlich durchsucht: "Ein Feuerzeug war mit Sicherheit nicht da", hieß es in einer von seinem Anwalt verlesenen Stellungnahme.

Großes Interesse an der Verhandlung

Die Mutter des Opfers, begleitet von zweien ihrer Söhne (Quelle: AP)
Mariama Djambo Diallo tritt als Nebenklägerin aufBild: AP

Prozessbeobachter aus mehreren Ländern verfolgen das Gerichtsverfahren, darunter Anwälte aus Frankreich und Südafrika sowie eine Vertreterin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (siehe Interview). Allein 25 Plätze im Gerichtssaal wurden für Medienvertreter reserviert.

Die Mutter des Opfers tritt als Nebenklägerin auf, konnte die Verhandlung allerdings nur unter großen psychischen Anstrengungen verfolgen. Sie wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. Ihre Anwälte bezeichneten die Anklageschrift als Hypothese, da nicht nachvollziehbar sei, wie der an Armen und Beinen Gefesselte das Feuer entzünden konnte.

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen

Der Prozess findet aus Angst vor gewalttätigen Protesten unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt, mehrere Dutzend Polizisten sind im Einsatz. Eine Gedenkinitiative will an den Verhandlungstagen Mahnwachen vor dem Gerichtsgebäude abhalten. Vertreter von Flüchtlingsorganisationen forderten eine Entschädigung für die Familie des Opfers.

Zunächst soll bis zum 20. April an sechs Tagen verhandelt werden. Im Falle einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge droht dem Dienstgruppenleiter eine Freiheitsstrafe zwischen drei und 15 Jahren. Dem wegen fahrlässiger Tötung angeklagten zweiten Beamten drohen bis zu fünf Jahre Haft. (kre)