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Zwei Wochen Galgenfrist für Griechenland

10. Februar 2012

Nachdem die Euro-Länder die Entscheidung über ein neues Hilfspaket für Griechenland vertagt haben, pochen die Regierungsparteien in Berlin auf eine parlamentarische Umsetzung der griechischen Sparbeschlüsse.

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Merkel, Kauder (Foto:dpa)
Kanzlerin Merkel informiert Fraktionschef Kauder über die Verhandlungen mit GriechenlandBild: picture-alliance/dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am frühen Freitagmorgen die Spitzen von CDU/CSU, FDP, SPD, Grünen und Linken im Kanzleramt über den Stand der Verhandlungen über die Griechenland-Hilfe auf EU-Ebene informiert. Im Anschluss berieten die Bundestagsfraktionen in Sondersitzungen über das weitere Vorgehen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) kündigte an, der Bundestag werde in gut zwei Wochen am 27. Februar darüber abstimmen, "wie nun der Weg für Griechenland und die Unterstützung weitergeht". Ziel bleibe, Griechenland zu helfen, aber das Land müsse seine Versprechungen auch halten.

Der Finanzexperte Hans Michelbach (CSU) sagte, "wir möchten möglichst wenig Emotionen einsetzen, sondern die Fakten sprechen lassen". Ähnlich äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Er forderte das griechische Parlament auf, die Umsetzung der notwendigen Reformen zu "beweisen". Die Bundesregierung werde weiterhin den Druck aufrecht erhalten. Es sei richtig, dass die Finanzprüfer der sogenannten Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) so lange keine Entscheidung über die Freigabe weiteren Griechenland-Hilfen träfen.

Die SPD im Bundestag fordert die europäischen Regierungen auf, die griechische Wirtschaft anzukurbeln. Zwar seien "strengste Haushaltsdisziplin" und der Aufbau einer funktionierenden finanz- und Steuerverwaltung notwendig, sagte der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier. Jedoch bringe das alles nicht viel, "wenn es nicht darüber hinaus auch möglich sein wird, Wachstum in diesem Lande wieder in Gang zu bringen".

Sparzusagen der Griechen reichen nicht

Wut und Verzweifelung

Unterdessen wachsen in der griechischen Bevölkerung Wut und Verzweifelung über das Sparprogramm der Regierung. Ein weiterer Generalstreik hat das öffentliche Leben in dem hoch verschuldeten Land am Freitag weitgehend lahmgelegt. In der Hauptstadt Athen fahren weder Busse noch U-Bahnen, öffentliche Einrichtungen sind geschlossen. Auch die Fähren zu den Inseln bleiben in den Häfen. Dagegen soll der Flugverkehr aber störungsfrei verlaufen. Angesichts angekündigter Kundgebungen sind im Zentrum Athens Polizisten in großer Zahl postiert. Auch in anderen griechischen Städten, etwa in Thessaloniki, sind Protestmärsche geplant.

Zu dem Streik, der auch am Samstag fortgesetzt werden soll, hatten die wichtigsten Gewerkschaften des Landes aufgerufen. Zuletzt hatte in Griechenland am Dienstag ein eintägiger Generalstreik stattgefunden.

Unterdessen nehmen die Reaktionen auf die Krise auch skurrile Züge an: Der Vorstand der Gewerkschaft der Polizisten des Landes (POESY) droht mit der Festnahme der Kontrolleure der EU, des IWF und der EZB. Gewerkschaft argumentierte, die sogenannte Troika versuche, mit den harten Sparmaßnahmen die demokratische Ordnung umzuwerfen. Zudem versuche sie, die "nationale Souveränität" zu verletzen und vom griechischen Volk wichtige Güter zu rauben.

Die griechische Regierung hatte sich am Donnerstag nach tagelangen zähen, immer wieder unterbrochenen Verhandlungen zu weiteren Sparmaßnahmen durchgerungen - im Gegenzug für internationale Finanzhilfen im Umfang von 130 Milliarden Euro. Die Finanzminister der Eurozone gaben die Unterstützungszahlungen in der Nacht zum Freitag aber doch nicht umgehend frei und verlangten bei ihrem Sondertreffen in Brüssel eindeutige, nachprüfbare Schritte der Griechen. Erst nach Vollzug werde man am Mittwoch wieder zusammenkommen, teilte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker mit.

Stärkere Überwachung und auch ein Sperrkonto

Das mit der Troika von EU, EZB und IWF vereinbarte Sparprogramm muss dazu am Sonntag vom Athener Parlament verabschiedet werden. Zweitens erwartet man in Brüssel immer noch eine schriftliche Verpflichtung der Parteien des Regierungsbündnisses zu dem gesamten Reformprozess, damit dieser auch nach den Wahlen im April fortgesetzt wird. Und besonders wichtig: Drittens soll die griechische Regierung weitere Posten in Höhe von 325 Millionen Euro konkret benennen, die noch in diesem Jahr eingespart werden müssen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war schon zum Auftakt davon ausgegangen, dass das zweite Rettungsprogramm von 130 Milliarden Euro noch nicht spruchreif sei. "Die Rahmenbedingungen sind noch nicht erreicht, und deswegen muss weitergearbeitet werden", so sein Kommentar.

"Ernsthaft erwogen" werde jetzt auch von der EU-Kommission und einer Arbeitsgruppe der Finanzminister die Einrichtung eines Sperrkontos für Griechenland, von dem aus das Land dann seine Schulden bedienen könne, teilte Währungskommissar Olli Rehn am Rande des Treffens mit. Der entsprechende deutsch-französische Vorschlag hatte jüngst beim Gipfeltreffen noch starke Kritik ausgelöst. Zuvor war die Idee eines "Haushaltskommissars" auf Ablehnung gestoßen.

hp/sc/gmf (dpa dapd, afp, rtr)