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Schützen Gesichtsvisiere kaum vor Corona?

14. Juli 2020

Helfen die beliebten Plastikvisiere genauso gut bei der Eindämmung des Coronavirus wie gängige Atemschutzmasken? Aktuelle Erfahrungswerte aus der Schweiz lassen nur eine Antwort zu.

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Anti-Corona-Gesichtsvisier
Bild: Getty Images/AFP/M. Riopa

Bei der zuletzt gestiegenen Zahl an Infektionen im flächenmäßig größten Kanton der Schweiz sei besonders auffällig, dass sich auch Personen, die Visiere trugen, angesteckt hätten, teilte das Gesundheitsamt des Kantons Graubünden mit. Eine Analyse der Fälle und der Übertragungswege habe gezeigt, dass die vor allem in der Gastronomie verbreiteten Visiere ungenügenden Schutz vor einer Infektion böten. Sie vermittelten ein falsches Gefühl von Sicherheit, erklärte die Kantonsärztin Marina Jamnicki. Daher ist das Urteil der Behörde klar und deutlich: Sie rät vor der alleinigen Verwendung von Plastikvisieren zum Schutz vor Infektionen mit dem Coronavirus ab.

Das Gesundheitsamt empfiehlt Betrieben, deren Mitarbeiter bisher Visiere nutzen, eine Überarbeitung ihrer Schutzkonzepte. Sollte ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden können, sei ein Mundschutz zu empfehlen. Die Warnung des an Italien und Österreich grenzenden Kantons wirft gravierende Fragen zur Öffnungsstrategie von Restaurants, Hotels und anderer vom Tourismus abhängiger Unternehmen in Europa auf.

Streit über Wirksamkeit

Visiere sind zum Schutz vor dem Coronavirus umstritten, die Datenlage ist nach wie vor dünn. In Deutschland sind Visiere in mehreren Bundesländern erlaubt, teils unter Bedingungen, etwa in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen - auch auf Druck von Unternehmen, die sich davon eine Erleichterung für ihre Mitarbeiter erhoffen. Der bekannte Virologe Alexander Kekulé bezeichnete Visiere in einem Podcast des Mitteldeutschen Rundfunks als "genauso gut" wie Stoffmasken.

Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf das Robert Koch-Institut. Dieses empfiehlt das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, Visiere seien keine gleichwertige Alternative. Die Plastikschilde könnten in der Regel nur die Tröpfchen abfangen, die direkt auf der Scheibe landen, teilt das Institut mit. Ein textiler Mundschutz - insofern er gut anliegt - könne hingegen auch das Vorbeiströmen der Tröpfchen an den Seiten verhindern und die Atemluft abbremsen.

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Der Friseurmeister geht ganz auf Nummer sicherBild: picture-alliance/dpa/R. Michael

Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin rät von Visieren ab, da sie nicht vor erregerhaltigen Aerosolen schützten. Diese könnten durch den Spalt zwischen Gesicht und Visier ungehindert in die Raumluft gelangen.

Fremd- oder Selbstschutz?

Wichtig in der Debatte sei, zwischen Fremdschutz und Selbstschutz zu unterscheiden, betont der Virologe Johannes Knobloch, der den Arbeitsbereich Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf leitet. Beim Selbstschutz sei es durchaus plausibel anzunehmen, dass sich der Nutzen von Visier und Mundschutz in der Waage hält: "Das Visier ist ideal, um sich gegen die klassische Tröpfcheninfektion zu schützen", sagt er. Es diene als Spuckschutz und schütze auch die Augenschleimhäute. Deswegen werde im professionellen Bereich der Mundschutz auch stets um Schutzbrille oder Visier erweitert.

Wenn es hingegen darum geht, andere vor einer Ansteckung zu schützen, sei das Visier dem Mundschutz etwas unterlegen, erklärt Knobloch. Insbesondere die sogenannten Aerosole - winzige ausgeatmete Partikel, die teils stundenlang in der Luft schweben und dabei Infektionen verursachen können - könnten durch textile Bedeckungen besser aufgefangen werden, so der Experte.

kle/ml (rtr, dpa)