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Zweiter Versuch, gleiches Ergebnis

Filip Slavkovic, Belgrad 9. Dezember 2002

Die Präsidentschaftswahl in Serbien ist erneut gescheitert. Wie vor zwei Monaten wurde auch dieses Mal die 50-Prozent-Mindestbeteiligung verfehlt.

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Alle Wahlwerbung hat auch diesmal wieder nichts genütztBild: AP

Serbien sinkt immer tiefer in eine politische Krise: Nur 45 Prozent der Wahlberechtigten sind am Sonntag (8.12.2002) an die Urnen gegangen - zu wenig, um rechtzeitig den Nachfolger des jetzigen Amtsinhabers Milan Milutinovic zu bestimmen. Denn Milutinovics Mandat läuft am 5. Januar aus. Das Gesetz, das eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent vorsieht, war nach dem Scheitern der ersten Stichwahl gelockert worden: Sie gilt nunmehr nur für den ersten Wahlgang. Doch an diesem kalten und windigen 8. Dezember blieben schon im ersten Wahlgang rund 55 Prozent der serbischen Wähler zu Hause.

Mehr als die Hälfte der Wähler gab die Stimme dem schon bei den ersten Wahlen aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten Vojislav Kostunica. Diese Prognosen der unabhängigen Wahlbeobachter von der Organisation CeSID wurden durch die Wahlkommission bestätigt. Schon bei der ersten Stichwahl hatte Kostunica die Mehrheit der Stimmen bekommen. Doch wie vor zwei Monaten wird auch diesmal die Wahl annulliert.

Enttäuschte Bürger

Die Gründe für die erneut zu geringe Wahlbeteiligung sind nach Meinung vieler Experten in der großen Unzufriedenheit und Enttäuschung der Bürger zu sehen. Das Volk fühle sich von der Politik betrogen, heißt es. Vor allem von den Politikern des demokratischen Bündnisses DOS, das vor mehr als zwei Jahren des Regime des damaligen autoritären Staatschefs Slobodan Milosevic gestürzt hatte. Monatelange Streitereien innerhalb der DOS um Macht und Einfluss endeten diesen Sommer in endgültigem Ausstieg der größten Partei, der DSS, aus dem Bündnis. Der DSS-Chef, der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica, der nun zum zweiten Mal für das Amt des serbischen Präsidenten kandidiert hat, ist zum Widersacher von Premier Zoran Djindjic geworden.

Kostunica, der trotz einer Mehrheit von fast 58 Prozent der Stimmen gescheitert ist, beschuldigt nun seinen Rivalen Djindjic, die Wahlen manipuliert zu haben. Die parlamentarische Regierungsmehrheit, die Wahlkommission und das Innenministerium hätten auf Anweisungen von Djindjic alles getan, um die Wahlen erneut scheitern zu lassen, sagte Kostunica und kündigte an, das Ergebnis nicht anzuerkennen. "Die Wahlen wurden so ausgeschrieben, dass sie zwei Fallen in sich bargen: auf der einen Seite war das der Zensus, auf der anderen das Wahlregister. Die beiden Fallen stehen miteinander eng in Verbindung, und für sie ist direkt die serbische Regierung und der Ministerpräsident verantwortlich."

Kritik von Kostunica

Im Wahlregister habe er, obwohl die Wahlkommission und das Ministerium ihm die Kontrolle erschwert hätten, Unregelmäßigkeiten bei mehr als 450.000 Personen gefunden, kritisierte Kostunica. Dabei handele es sich um "Phantom-Wähler", darunter seien auch viele Tote. Er kündigte eine Beschwerde beim Serbischem Gerichtshof und bei der OSZE an. Zudem deutete er einen Misstrauensantrag zum Sturz der Regierung Djindjics im Parlament an. Dafür würde er sowohl die Unterstützung einiger Djindjic-naher Parteien als auch der nationalistischen Opposition brauchen.

Der Chef der rechtsradikalen SRS-Partei, Vojislav Seselj, der bei der ersten Wahl vor zweieinhalb Monaten nicht in die Stichwahl einzog, konnte nun mit rund 36 Prozent der Stimmen den zweiten Platz hinter Kostunica belegen. "Für uns bedeutet dieses Ergebnis Hoffnung und Perspektive", sagte er. "Nach diesen Ergebnissen ist es klar, dass wir so schnell wie möglich vorgezogene Wahlen auf allen Ebenen haben müssen."

Extremisten profitieren

Dagegen hätte auch der dritte Präsidentschaftskandidat, der ultranationalistische Borislav Pelevic nichts einzuwenden. Pelevic bekam nur knapp vier Prozent der Stimmen und stellte nach der Wahl fest: "Es ist offensichtlich, dass der stille Boykott, den das DOS-Bündnis - beziehungsweise die Regierung und Premier Djindjic - betrieben hat, ein voller Erfolg war."

Die Regierungs-Koalition, die diesmal keinen eigenen Kandidaten ins Präsidentschaftsrennen geschickt hatte, dementierte jegliche dunkle Machenschaften. Zugleich schlug Zoran Djindic eine Verfassungsänderung vor: Der Präsident solle vom Parlament und nicht direkt gewählt werden, so der Ministerpräsident. Doch das bestehende Wahlgesetz schreibt zunächst die Ausschreibung neuer Wahlen vor - und zwar innerhalb von zwei Monaten. Die dafür zuständige Parlamentssprecherin, Natasa Micic aus der DOS-Koalition, kündigte aber fürs erste eine - so wörtlich - "Ruhe- und Verschnauf-Pause für die Wähler" an.

Interims-Präsidentin

Somit läuft die fünfjährige Amtszeit des jetzigen serbischen Präsidenten Milan Milutinovic am 5. Januar aus, ohne dass ein Nachfolger gewählt ist. Interims-Präsidentin soll die Parlaments-Präsidentin Natasa Micic werden.