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Katastrophe

Zwischen Bangen, Hoffen und Aufräumen

19. Juli 2021

In den vom Unwetter betroffenen Gebieten im Westen und Süden Deutschlands bleibt die Lage angespannt. Während aber mancherorts schon fleißig aufgeräumt wird, hilft anderswo nur warten, bis das Wasser zurückgeht.

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Nach dem Unwetter in Rheinland-Pfalz
In vielen Hochwassergebieten im Westen - wie hier in Rheinland Pfalz - laufen die AufräumarbeitenBild: Thomas Frey/picture alliance/dpa

Die für viele Menschen wohl beste Nachricht des Tages kommt vom Deutschen Wetterdienst: Seit der Nacht gibt es keine Unwetterwarnungen mehr. Die Gefahr, dass zusätzlicher Regen die ohnehin schon überlasteten Flüsse weiter anschwellen lässt, scheint also vorerst gebannt.

Trotzdem ist die Gefahr von Hochwasser vor allem im Süden und Osten von Bayern weiter groß. Der Regen, der in den letzten Tagen dort gefallen ist, erreicht erst nach und nach die Bäche und Flüsse. In Passau beispielsweise stieg der Wasserstand der Donau noch bis in die Nacht und verharrte dann unter der Marke von 8,50 Meter, ab der die höchste Hochwasserwarnstufe gilt.

In Passau in Bayern hat die Donau ihren Höchsstand erreicht - die Menschen hoffen, dass das Wasser jetzt wieder zurückgeht.
In Passau in Bayern hat die Donau ihren Höchsstand erreicht - die Menschen hoffen, dass das Wasser wieder zurückgehtBild: Peter Kneffel/dpa/picture alliance

Uferpromenade und Parkplätze entlang des Flusses waren bereits überflutet, Bewohner schützten Häuser mit Sandsäcken und Barrieren. Erst in den kommenden Tagen dürfte sich die Situation dort deutlich entspannen.

Steinbachtalsperre: Hält der Damm?

In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben in vielen Orten die Aufräumarbeiten begonnen, die sich zum Teil aber sehr schwierig gestalten. Lange kritisch blieb die Situation an der Steinbachtalsperre nahe Euskirchen. Obwohl große Wassermengen abgepumpt wurden und auch der Ablauf der Sperre wieder freigelegt werden konnte, bestand lange die Gefahr, dass der Damm brechen könnte.

Der Damm der Steinbachtalsperre bei Euskirchen. Noch immer ist nicht ganz klar, ob er hält.
Der Damm der Steinbachtalsperre bei Euskirchen - lange war nicht klar, ob er hältBild: Sebastien Bozon/Getty Images/AFP

Inzwischen haben die Behörden in weiten Teilen Entwarnung gegeben. Der größte Teil der zuvor evakuierten Häuser darf wieder von den Bewohnern betreten werden.

Seehofer: Worten müssen Taten folgen

Bundesinnenminister Horst Seehofer versprach unkomplizierte Hilfe für die Betroffenen. "Wir legen großen Wert darauf, dass man jetzt nicht nur die entsprechenden Worte findet, sondern dass diesen Worten auch Taten folgen", sagte der CSU-Politiker bei einem Besuch im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler. 

Es gehe jetzt einerseits um Soforthilfe für die Betroffenen. Danach stehe der Wiederaufbau an, der aus seiner Sicht Milliarden und auch "einige Zeit" beanspruchen werde. Der Bund werde am Mittwoch im Kabinett dazu die Beschlüsse fassen.

Deutschland Euskirchen | Nach dem Unwetter | Horst Seehofer
Bundesinnenminister Seehofer (rechts neben NRW-Regierungschef Laschet) vor der SteinbachtalsperreBild: Roberto Pfeil/dpa/picture alliance

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz sagte, bei der akuten Bewältigung gebe es große Fortschritte. So seien die Helfer gerade dabei, die Wasserversorgung wieder zu organisieren. Der Einsatz vor Ort werde sich aber vermutlich noch Monate hinziehen. "Wir sind eingestellt auf eine enorm lange Lage." 

Auch Situation in Erftstadt ist weiter kritisch

Die Zahl der bestätigten Todesopfer wegen der verheerenden Überflutungen in Deutschland war am Wochenende auf mehr als 160 gestiegen. Im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz sind nach Polizeiangaben 117 Todesopfer zu beklagen, während die Zahl in Nordrhein-Westfalen auf 47 stieg. Zudem kam mindestens ein Mensch in Oberbayern ums Leben. Es ist damit die schwerste Hochwasserkatastrophe in Deutschland seit Jahrzehnten.

Erftstadt-Blessem - nach dem Erdrutsch könnten weitere Bereiche der Siedlung unterspült werden.
Erftstadt-Blessem - nach dem Erdrutsch könnten weitere Bereiche der Siedlung unterspült werdenBild: Rhein-Erft-Kreis/AP Photo/picture alliance

An vielen Orten ist zudem unklar, wie die Entwicklung weitergeht. So besteht in Erftstadt-Blessem nach Einschätzung von Experten in der Nähe einer Abbruchkante weiterhin akute Lebensgefahr. Die Stabilität des Untergrunds in dem besonders betroffenen Stadtteil müsse weiterhin überprüft werden, sagte Landrat Frank Rock. In Blessem war durch die Fluten ein riesiger Krater entstanden, mindestens drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg stürzten ein.

Der DW-Reporter Benjamin Alvarez Gruber berichtet, wie Anwohner in den Katastrophengebieten an der Ahr und im Rheinland mit den großen Schäden der Überschwemmungen zurechtkommen und wie Hilfskräfte Unterstützung für die Opfer leisten.

Hat der Katastrophenschutz versagt?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier forderte unterdessen eine Aufklärung, ob der Katastrophenschutz ausreichend funktioniert hat. Es müsse, sobald man die unmittelbare Hilfe geleistet haben, auch geschaut werden, ob es Dinge gab, die nicht gut gelaufen oder schief gegangen seien, so der CDU-Politiker.

Der Leiter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, verteidigte den Katastrophenschutz gegen Kritik. "Unsere Warninfrastruktur hat im Bund geklappt", sagte Schuster. Der Deutsche Wetterdienst habe relativ gut gewarnt. Das Problem sei, dass man oft eine halbe Stunde vorher noch nicht sagen könne, welchen Ort es mit welcher Regenmenge treffen werde. Über Warn-Apps seien 150 Warnmeldungen verschickt worden.

Deutschland Armin Schuster BBK
Armin Schuster, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Archivbild)Bild: Jürgen Schulzki/Bildkraftwerk

Auch der Bundesinnenminister sagte mit Verweis auf das BBK, die Meldewege hätten - soweit der Bund zuständig sei - funktioniert. Manches, was jetzt zu hören sei, müsse er einer "billigen Wahlkampf-Rhetorik" zuordnen, so Seehofer bei seinem Besuch im Katastrophengebiet.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sieht hingegen schwere Versäumnisse beim Bevölkerungsschutz. Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen seien weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend an die Bürgerinnen und Bürger kommuniziert worden. Es biete sich das Bild eines erheblichen Systemversagens, für das Seehofer unmittelbar die persönliche Verantwortung trage.

bru/jj/kle (dpa, afp)