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Malmö statt Malle

Sabine Kinkartz7. März 2008

Sommer, Sonne, Palmenstrand – auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin wird der Traum vom unbeschwerten Urlaub in dieser Woche wieder beflügelt. Doch auch die heile Reisewelt hat Sprünge bekommen.

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Typisches schwedisches Landhaus (Archiv, Quelle: AP)
Malmö statt Malle - der Norden profitiert auch touristisch vcm KlimawandelBild: picture-alliance / Chad Ehlers

Die Zukunft des Fernreisens steht in Halle 7.1 der Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin (noch bis 9.3.). Es ist das Modell eines Flugzeugs, das ausschließlich mit Sonnenenergie fliegen soll. Die Flügel sind komplett mit Solarzellen bestückt und haben die beeindruckende Spannweite von vier Metern. Im Modell. Das richtige Solarflugzeug, sagt Dörte Ahlrichs Solar Impulse, bringt es auf die Spannweite eines Airbus A 380. Allerdings kann es keine 800 Passagiere befördern. "Der Prototyp hat 80 Meter Spannweite und kann einen Passagier tragen. 2009 wird es erste Flüge geben, um dann 2011 tatsächlich um die Welt zu fliegen." Die kommerzielle Nutzung der Solarenergie für den Flugzeugantrieb liegt also noch in weiter Ferne. Im Moment, so sagt Ahlerichs, geht es allein darum zu zeigen, dass es überhaupt geht.

Landschaft bei Campobello Island (Archiv, Quelle: AP)
Auch Kanada wird beliebter, wenn es wärmer wirdBild: AP

Reisen in Zeiten des Klimawandels, das war schon 2007 ein großes Thema auf der ITB. In diesem Jahr ist es nicht anders, allerdings wird das Thema drängender. Denn der Klimawandel wird die touristische Weltkarte neu zeichnen. Philipp Ehmer von Deutsche Bank Research hat an einer Studie mitgearbeitet, die zu dem Ergebnis kommt, dass in den Urlaubshochburgen nichts so bleiben wird, wie es war. Weder in den Wintersportregionen noch an den Badestränden. Das birgt Risiken, aber auch Chancen. Profitieren wird in Europa der Norden, südliche Länder werden es schwerer haben, so Ehmer: "Das heißt, dass innerhalb Europas die Wanderung von Touristen vom Norden in den Süden sich klimabedingt bis 2030 abschwächen wird."

Südeuropas Tourismusbranche trocknet aus

Im Hochsommer viel zu heiß und zu wenig Wasser: Dieses Problem werden die Südeuropäer, allen voran Spanien, Portugal und die Türkei, mit vielen anderen Ländern der Welt gemeinsam haben. Wo also wird es die Touristen in Zukunft hinziehen? "Wir sehen Neuseeland, wir sehen Kanada und in etwas abgeschwächter Form die USA. Dem gegenüber sehen wir viele Verlierer in den Regionen Lateinamerikas, in der Karibik, in Afrika und auch in Asien."

Das wird für Länder, die vom Tourismus abhängig sind, zu einem großen Problem. Wenn Einnahmen wegbrechen und Arbeitsplätze verloren gehen, geht es an die Substanz. Die Branche sucht nach neuen Ideen, doch wohin kann die Reise gehen? Schon jetzt nimmt das Rundum-Sorglos-Paket der organisierten Pauschalreise in der Urlaubsindustrie zwar immer noch einen wichtigen Platz ein, neue Kunden sind damit aber kaum noch zu gewinnen. Klaus-Dieter Koch, Gründer und Inhaber von Brand:Trust, ein auf die Steigerung der Markenattraktivität spezialisierter Strategieberater, empfiehlt einen Blick auf das Reiseverhalten reicher Menschen. "Nehmen sie Wellness oder Spa. Das gab es vor fünf Jahren nur in der Luxushotellerie und dort auch gegen Eintritt und jetzt ist es ein Massenphänomen."

Emotionen für die Reichen

Luxusreisende als Trendsetter? Welche Erwartungen wohlhabende Urlauber haben, hat der Kreditkartenanbieter American Express bei einer Befragung seiner Premiumkunden herausgefunden. Jürgen Maier, verantwortlich für die Studie, fasst es so zusammen: Luxus definiert sich nicht mehr über den Preis, sondern über besondere Erlebnisse, Emotionen, intellektuelle Inspirationen und eine größere Lebensqualität. "Eine Übernachtung in einer mongolischen Jurte kann einen größeren Wert für den Einzelnen haben, als eine Übernachtung in einem Fünf-Sterne-Luxushotel."

Damit unterscheiden sich die Erwartungen wohlhabender Menschen gar nicht so sehr von denen der Mittelklasse-Touristen. Auch die würden auf ihren Reisen gerne mehr erleben und individueller behandelt werden. Marketingberater Nigel Beckett drängt daher auf mehr personalisierten Service. Sein Credo: Der Gast will verblüfft werden. "Wer ein bisschen reiseerfahrener ist, hat höhere Ansprüche. Da geht es nicht, dass man ein Standard-Patentrezept anbietet, weil das nie aufgehen wird."

Zwei-Sterne für Studenten und Manager

Allerdings kostet es auch beachtlich mehr, denn mehr Service heißt mehr und vor allem besser geschultes Personal. Der Markt für Luxusreisen wächst deutlich und hat einen beachtlichen Anteil am gesamten Reisemarkt erreicht. Auf der anderen Seite haben auch Discountreisen einen enormen Zuwachs. Dazwischen bleibt nicht viel, das Mittelklasse-Segment schrumpft. Ein Beispiel ist die preiswerte und preisbewusste Hotellerie. Der Zwei-Sterne-Sektor ist zum am schnellsten wachsenden Marktsegment der Hotellerie geworden. Die Kunden sind meist junge Leute, aber auch Geschäftsreisende.

Individualität ist auch hier das Zauberwort. Wie groß die Nachfrage sein kann, wenn plötzlich etwas bisher Unmögliches möglich wird, zeigt sich bei Yotel, einem Anbieter von kleinen, aber mit Dusche, Fernseher und Internet ausgestatteten Schlafkabinen auf den Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick, erläutert Vorstand Gerard Greene. "Das wird so phänomenal angenommen, dass wir bereits mit einigen der größten Flughäfen weltweit im Gespräch sind. Die Mindestmietdauer unserer Kabinen beträgt vier Stunden und danach zahlt man pro Stunde. Die Idee ist, dass der Kunde auch nur für das bezahlt, was er wirklich will."

Schlafkabinen für die Digitale Boheme

Gebucht wird im Internet und das kommt der Klientel, die Yotel anspricht, sehr entgegen. Es ist die sogenannte kreative Klasse, wie Marketingberater Koch sie nennt. "Das sind Leute, die ihre Reise im Internet buchen. Die kennen sich aus und sagen, bevor ich da jemanden anrufe im Reisebüro, mache ich es lieber selbst. Die wissen Bescheid und brauchen weniger Assistenz denn Stimulation, wenn es um Reisen geht."

Und auch diese Stimulation holen sie sich im Netz. Längst tauschen sich Reisende in Blogs über ihre Erfahrungen aus. Da gibt es Empfehlungen und Kritiken für Hotels, Ressorts, Pensionen, Pauschalreisen, Reiseführer und vieles mehr. Wie groß dieser Bereich geworden ist, zeigt sich auch auf der Tourismusbörse in Berlin. Dem sogenannten Blogger-Summit war eine zentrale Veranstaltung gewidmet.