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Deutschland ist kulinarisch gespalten

9. September 2011

In Sachen Essen und Trinken sind die Deutschen knauserig. Nur etwa elf Prozent ihres Einkommens geben sie für Lebensmittel aus. Außerdem besteht Deutschland kulinarisch gesehen aus Parallelgesellschaften.

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Eine Currywurst mit Pommes Frites (Foto: pa/dpa)
Bild: Picture-Alliance/dpa

Currywurst ist nach wie vor der Fastfood-Klassiker in Deutschland. Rund 60 Millionen Stück davon werden jährlich hierzulande gegessen. Aber die Currywurst hat längst Gesellschaft bekommen. Ob Döner, Hamburger, Frühlingsrolle oder Pizza am Meter, Imbissbuden sind allgegenwärtig in der Republik. Selbst gekocht wird immer weniger in deutschen Haushalten, dafür aber umso mehr im Fernsehen, wo eine Kochshow die nächste jagt. Eine Ersatzhandlung für das gemeinsame Essen an einem Tisch.

Wissen, was man isst

Petersilie, Zwiebel, Käse und Birne (Foto: Slow Food/Stefan Abtmeyer)
Bio ist inBild: Slow Food/Stefan Abtmeyer

Doch es gibt Ausnahmen. Die Vereinigung "Slow Food" hat sich dem bewussten Essen und Genießen verschworen. Mehr als 11.000 Mitglieder hat die Organisation in Deutschland. Eines von ihnen ist der Bonner Ferdinand Freiherr von Loe.

Für die regelmäßigen kulinarischen Treffen der Bonner Slow-Food-Gruppe stellt Mitglied von Loe gerne seine Räumlichkeiten den Gleichgesinnten zur Verfügung. Er betont den Wert von ursprünglichem Essen. Und das bedeute, regionale Produkte zu kaufen und zum Beispiel auf Erdbeeren zu verzichten, die im Winter aus anderen Kontinenten mit viel Energieaufwand eingeflogen werden.

Die meisten greifen ins Tiefkühlfach

Eine junge Frau nimmt Tiefkühlpizza aus der Kühltruhe (Foto: pa/dpa)
Schnell muss es gehenBild: picture-alliance/ dpa

Die Slow Food-Mitglieder kochen gerne und probieren regelmäßig Produkte von heimischen Erzeugern. Damit unterscheiden sie sich vom Gros der Deutschen. Denn hier ist längst das Kochen dem Arbeitsstress und einem üppigen Freizeitangebot zum Opfer gefallen.

Die Deutschen gehen lieber ins Fitnesstudio oder Tennisspielen statt Zeit mit der Zusammenstellung und Vorbereitung des Essens zu verbringen. Deshalb wird dann umso öfter in die Tiefkühltruhe gegriffen. 3,3 Millionen Tonnen Tiefkühlgut landen jedes Jahr in deutschen Mägen, in den meisten Fällen vorher durch die Mikrowelle auf Verdauungstemperatur gebracht. Das bedeutet eine Steigerung um 100 Prozent in den vergangenen 20 Jahren.

Billig wächst - Bio auch

Während der Markanteil der Billigdiscounter immer weiter wächst und großflächig Fertigsuppen und Tiefkühlmenüs auf dem Vormarsch sind, feiert parallel ein ganz anderes Segment große Erfolge: "Bio" ist in und längst nichts mehr nur für Körnerfresser und Umweltidealisten.

Fast sechs Milliarden Euro geben die Deutschen für Bio-Lebensmittel aus. Eine Verdreifachung des Umsatzes in den vergangenen zehn Jahren. Außerdem gibt es inzwischen ein große Gruppe von Feinschmeckern in Deutschland oder zumindest solche, die eine Menge Geld für Feinkost ausgeben.

Alles vom Feinsten

Spezialitätenhändler Ralf Bos mit Trüffeln in der Hand (Foto: DW)
Spezialitätenhändler Ralf Bos mit TrüffelnBild: DW

Ralf Bos gilt als einer der größten Spezialitätenhändler in Deutschland. Sein Geschäft ist in den vergangenen 20 Jahren kontiniuierlich gewachsen. 150 Angestellte beschäftigt er heute in seinem Betrieb in der Nähe von Düsseldorf. Zu kaufen gibt es bei ihm nur das Feinste vom Feinsten. Von Trüffeln über lange gereifte Schinken bis zu exotischen Gewürzen und edlen Weinen. Als er vor 18 Jahren seinen ersten Vortrag über Trüffel hielt, waren die Zuhörer erstaunt: "Die haben sich tatsächlich gewundert, dass ich keine Schokoladentrüffel gezeigt habe. Dass es auch Pilze gibt, die Trüffel heißen, wussten die meisten damals nicht."

Heute seien seine Kunden viel besser informiert. Sie würden nicht nur die verschiedenen Trüffelsorten kennen, sondern auch die einzelnen Herkunftsregionen der Knollen und sogar die beste Erntezeit. Kochen sei inzwischen ein überall präsentes Lifestyle-Thema. Mit teuren Autos könne man niemanden mehr beeindrucken, mit einer gut ausgestatteten Küche schon.

Das Spitzensegment im Lebensmittelbereich wächst also genauso wie der Bereich von billig und schnell. Nur der Mittelbau, die gut bürgerliche Küche ist fast ausgestorben. Aber es gibt Hoffnung, meint Ralf Bos. Einige Spitzenköche hätten nämlich die gute alte Roulade wieder auf ihre Speisekarte gesetzt. Mal sehen, was da noch kommt.

Autor: Günther Birkenstock

Redaktion: Sabine Damaschke