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Zwischen Glanz und Untergang

Ina Rottscheidt2. Oktober 2004

Hannibal war nicht nur der listige Krieger, der mit einer Elefantenarmada gegen die Römer zog. Eine einzigartige Karthago-Ausstellung stellt den politischen Visionär und die Alltagswelt der einst blühenden Metropole vor.

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Karthago in KarlsruheBild: dpa

"Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten", so umschrieb Berthold Brecht gleichermaßen knapp wie treffend den Untergang der einst blühenden Mittelmeer-Metropole Karthago im Jahr 146 v. Chr. Einen ausführlicheren Einblick in die Kultur der antiken See- und Handelmacht bietet jetzt das Badische Landesmuseum in Karlsruhe.

Einzigartige Kollektion

"Die Zusammenstellung archäologischer Funde ist weltweit einzigartig", schwärmt Claus Hattler vom Landesmuseum: Bis zum 30. Januar sind dort rund 450 Exponate zu sehen, insbesondere aus Tunesien, Sizilien, dem Londoner British Museum und dem Louvre. Während der Ruf "Hannibal ad Portas", also "Hannibal vor den Toren" am Tiber einst Angst und Schrecken verbreitete, setzt die Ausstellung nun unter diesem Titel auf den berühmtesten aller Karthager: Hannibal der Feldherr, der im 2. Punischen Krieg mit Elefanten über die verschneiten Alpen zog und die Römer fast in die Knie zwang. Breitschultrig thront seine Marmorbüste in der Ausstellungshalle, daneben blitzen prunkvolle Rüstungen nebst kleinteiligem Tötungswerkszeug.

Geschichtsschreibung durch Überreste

Karte Tunesien
Karthago: Einst blühende Metropole im heutigen TunesienBild: AP

Fast hätte der Feldherr dem aufstrebenden römischen Reich ein vorzeitiges Ende bereitet, aber er nahm, trotz bester Voraussetzungen, die Stadt am Tiber nicht ein. Hattler vermutet: "Die Römer griffen nach der Hegemonie im Mittelmeerraum, Hannibal wollte nur das Machtgleichgewicht wieder herstellen." Die Strategie ging nicht auf: 14 Jahre später machten die Römer Karthago dem Erdboden gleich. Hattler bedauert: "Schriftliche Quellen wurden dabei fast vollständig vernichtet." In einer Vitrine zeugen nur noch rostige Schlüssel und ein paar angeschmolzene Münzen vom einstigen Glanz der nordafrikanischen Metropole - kümmerliche Reste der blühenden Weltstadt. "Heute zeichnen wir die karthagische Geschichte vor allem anhand solcher Bodenfunde nach", so Hattler.

Einseitige Interpretation

Und die sind vielfältig: Zahlreiche Amphoren, kunstvoll gefertigte Öllampen, filigrane Handspiegel und Schminkkästchen erzählen auch von Kunst, Religion und Alltag der Stadt Karthago, die im Jahr 814 v. Chr. im heutigen Tunesien gegründet wurde. Das Portrait einer vielschichtigen Hochkultur wollten die Karlsruher Aussteller zeichnen, da die Karthager konventionell sehr "einseitig" als Kriegsvolk dargestellt würden, wie Hattler findet.

Hannibal in Karlsruhe
archäologische Bodenfunde schreiben die Geschichte.Bild: dpa

Es habe sich vielmehr um eine Kaufmanns- und Seefahrernation gehandelt: Ihre Schiffe tauchten bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. vor Britannien und Westafrika auf, während für die Römer die Welt an der Meerenge von Gibraltar endete. Auch vor diesem Hintergrund zeichnete sich die Stadt sich durch eine "kosmopolitische multikulturelle Mischung" aus, wie Ausstellungsleiter Michael Maaß findet. Zu den wichtigsten Errungenschaften zählt er die Erfindung der Buchstabenschrift durch die Phönizier, auf die noch das heutige westliche Schreibsystem zurück geht. Einen hohen Lebensstandart reflektiert auch die in der Ausstellung nachgebildete Architektur: Mit bis zu fünfstöckigen Häusern gab sich Hannibals Volk weltstädtisch, manche protzten sogar mit purpurroten Badezimmern.

Mythen und Legenden

Doch die Ausstellung räumt auch den Mythen und Legenden, die sich um die Karthager ranken, Platz ein: Zu sehen sind nach gebaute Felsengrabkammer, Votiv- und Grabstelen, Urnen und Totensteine: Noch immer hält sich hartnäckig die Sage von den Kinderopfern, die die Karthager ihren Göttern dargebracht haben sollen. Blutrünstig, kriegslüstern und auf dem Weg zur Weltherrschaft sollen sie gewesen sein. Auch diese Beschreibung bezeichnet Hattler als sehr "relativ", denn die meisten schriftlichen Quellen entstammten der Feder römischer Dichter, wie etwa Livius. Und dass die an ihrem politischen Gegner mit der Schilderung übelster Greultaten kein gutes Haar lassen, gehört bekanntlich zum kleinen Einmaleins der Kriegspropaganda. Nicht nur damals.