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Zwischen Jägern und Trotzkisten

Anke Hagedorn21. April 2002

Die Franzosen wählen am Sonntag (21.4.) einen neuen Präsidenten. Der Andrang ist groß: 16 Anwärter bewerben sich um den Sessel im Elysée-Palast.

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Paris: Wahlaufruf für Lionel Jospin klebt über WerbeplakatBild: AP

Die Kandidaten vertreten die ganze Bandbreite des politischen Spektrums: angefangen beim trotzkistischen Briefträger über den Vertreter der Jäger-Partei bis zum Kandidaten der rechtsextremen "Front National", Jean-Marie Le Pen.

Einer der Gründe ist das politische System in Frankreich, wie Wolfram Vogel vom deutsch-französischen Institut in Ludwigsburg erklärt: "Um als Partei beziehungsweise als Strömung ernst genommen zu werden, müssen die kleineren Parteien einen Kandidaten aufstellen."

Niedrige Wahlbeteiligung erwartet

Doch trotz - oder gerade wegen - dieser Kandidaten-Flut bahnt sich noch ein weiterer Rekord an: Die Wahlbeteiligung am Sonntag (21.4.) könnte so niedrig ausfallen wie nie zuvor. Denn viele Franzosen sehen bei dieser Wahl keine wirkliche Auswahl.

Echte Chancen haben nur zwei Kandidaten: Amtsinhaber Jacques Chirac vom bürgerlichen Lager und der bisherige Premierminister, der Sozialist Lionel Jospin. Doch weder der unter Korruptionsverdacht stehende Chirac noch der blasse Polit-Technokrat Jospin rufen bei den Franzosen Begeisterungsstürme hervor: "Die beiden Spitzenkandidaten Jacques Chirac und Lionel Jospin sind dem französischen Bürger seit knapp drei Jahrzehnten geläufig", sagt Wolfram Vogel.

Die Kleinen wittern Morgenluft

Nun wittern die kleineren Parteien Morgenluft: Der frühere sozialistische Innenminister Jean-Pierre Chevènement tritt als Kandidat seiner 1992 gegründeten Bürgerbewegung an. Er hat lange Zeit seinen Wahlkampf mit dem Vorwurf geführt, Jospin gleiche Chirac wie ein Ei dem anderen.

Die höchsten Umfrage-Ergebnisse nach Jospin und Chirac verzeichnen jedoch bisher die Parteien der extremen Linken und der extremen Rechten: Der Rechtsradikale Jean-Marie Le Pen setzt auf die Protestwähler und kommt damit laut Umfragen auf einen Wähleranteil von bis zu zehn Prozent.

Drei Trotzkisten am Start

Auch die extreme Linke dürfte von den Protestwählern profitieren: Die Trotzkistin Arlette Laguiller tritt zum fünften Mal als Kandidatin an. Mit ihren Forderungen, die Geschäfte von Banken und Konzernen offen zu legen und den Arbeitern die Macht zu übertragen, verzeichnet sie Umfrage-Werte von sieben bis acht Prozent.

Neben ihr gehen noch zwei weitere Trotzkisten ins Rennen. Der 27-jährige Postbote Olivier Besancenot, Kandidat der Kommunistischen Revolutionären Liga, will Entlassungen verbieten und die 30-Stunden-Woche einführen. Eine frohe Kunde, die das Wahlvolk gerne hört.

Kämpfer für den Erhalt der Gänseleber

Der Gründer der Jäger-Partei, Jean Saint-Josse, kämpft für den Erhalt von gestopfter Gänseleber und hat den Umweltminister als "grünen Ajatollah" beschimpft - mit solchen Parolen könnte er Umfragen zufolge bis zu fünf Prozent der Stimmen erhalten.