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Glaube

Die katholische Kirche und die Frauen

12. März 2019

Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Lingen, tief in der nordwestdeutschen Provinz, wollen die deutschen Bischöfe zeigen, dass es vorangeht bei der Stellung der Frau in der Kirche. Aus Lingen Christoph Strack.

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Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Am Dienstagmittag kommt Bischof Franz-Josef Bode mit zwei Frauen zum Pressegespräch. Die drei stellen Zahlen aus den Jahren 2013 und 2018 vor. Wirklich beeindruckend ist die Entwicklung nicht. 2013 lag der Frauenanteil auf der obersten Leitungsebene bundesweit bei 13 Prozent. Fünf Jahre später bei 19. Das sei, meint Bode, "bei weitem nicht zufriedenstellend".

Andrea Qualbrink vom Bistum Essen, die über das Thema Frauen in kirchlichen Leitungspositionen ihre Doktorarbeit verfasste, nennt bei den Hindernissen für den Aufstieg von Frauen an erster Stelle "die Besetzung von Leitungsfunktionen mit Klerikern". Der ausdrückliche Wille der jeweiligen Bistumsleitung sei "von entscheidender Bedeutung für die Erhöhung des Frauenanteils".

Streit um die Weihe

Bei den Beratungen geht es offiziell gar nicht um Fragen der kirchlichen Weihe für Frauen - aber Bode äußert sich auf Nachfrage auch zum Thema "Weihe von Diakoninnen". Viele Frauen seien doch längst "sozial und diakonisch tätig, das sollte sich auch sakramental abbilden". Der Bischof wirbt für das Diakonat der Frau, das von vielen an der Basis und auch von manchen Theologen seit langem gefordert wird. Und "selbst wenn es starke Festlegungen auch dogmatischer Art gibt", gehe es doch heute um die "Frage von Frauen in kirchlichen Ämtern allgemein".


Nun ist Bischof Bode fast so etwas wie ein Einzelkämpfer in der Kirche in Deutschland. Eine Reihe von Bischöfen teilt seine Analyse, wenn er von einem dramatischen "Vertrauensverlust und einer Glaubwürdigkeitskrise" spricht. Aber die Konkretisierung bei heiklen Fragen gehen derzeit nur einzelne laut mit.

"Macht Licht an!"

Am Abend zuvor: Der Eröffnungsgottesdienst der Bischofs-Vollversammlung in der Lingener Hauptkirche geht zu Ende. Hinter vielen Messdienern ziehen gut 65 Bischöfe durch den Mittelgang des Gotteshauses zum Hauptportal, hinein in den ungemütlich kalten Abend.
Draußen empfängt sie flackerndes Licht aus hunderten Taschenlampen - eine Demonstration. "Macht Licht an! Macht Licht an!", hallt es den Oberhirten entgegen. An die 300 Frauen empfangen den Auszug der Bischöfe. Es sind Katholikinnen unterschiedlicher Generationen, Mitglieder der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd). Für manche mag es die erste Demo ihres Lebens sein.

"Bischöfe an Taten messen"

"Ich will ein Zeichen setzen, dass Missbrauch absolut nicht geht", sagt Demonstrantin Renate Dombert. "Es wird immer nur geredet. Aber Bischöfe werden an ihren Taten gemessen, nicht an Worten." Und im nächsten Satz nennt das Lingener kfd-Mitglied das Diakonat der Frau, das überfällig sei, "eine ganz wichtige Geschichte." Und sie verweist auch auf die Verpflichtung der Priester zum Zölibat, über die man reden müsse.

Drei der Bischöfe, darunter Bode, verweilen bei den Frauen. Auf sie warten Kartons mit knapp 30.000 Postkarten. Mitglieder der kfd, des nach wie vor größten Frauenverbands in Deutschland, verlangen damit Reformen. Im Gedränge meldet sich die kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil zu Wort. "Es sind unsere Kinder und Enkel, die wir Ihnen anvertraut haben", sagt sie zum Thema Missbrauch. Ein Satz, der unter die Haut geht.

"Dann ist es zu spät"

Und Heil betont die Forderungen an die Bischöfe: umfassende Aufklärung des Missbrauchsskandals, ein "verantwortungsbewusster und befreiender Umgang mit Körperlichkeit und Sexualität" in kirchlicher Ausbildung und Gemeindearbeit, eine "strukturelle Erneuerung der Kirche" ohne klerikal-autoritäre Machtstrukturen. Der zäh erreichte Anstieg auf 19 Prozent Frauen in Leitungsämtern passt genau dazu.
Ob der Protest bei den Bischöfen Gehör findet? Renate Dombert zweifelt und schildert später die Blicke mancher der Bischöfe. "Ich weiß nicht, ob wir ernst genommen werden." Aber der Kirche bleibe "nicht mehr viel Zeit. Und wenn die Frauen wegbrechen, dann ist es zu spät."

Aufruf zum Kirchenstreik

Der Protest gegenüber den Bischöfen in Lingen war für manche der Frauen nur eine Etappe. Für Mitte Mai rufen Katholikinnen aus Münster zum einwöchigen "Kirchenstreik" auf und wollen so gegen die Ausgrenzung von Frauen in der Kirche protestieren. Das Gotteshaus nicht betreten, nicht in der Sakristei helfen, nicht putzen, eventuell gemeinsam vor der Kirche beten.

Die Idee zum "Kirchenstreik" unter dem Motto "Maria 2.0" entstand im Januar ganz Lokal in einer Münsteraner Gemeinde. Mittlerweile bekommt Lisa Kötter, die die Aktion anstieß, Anfragen auch aus Österreich und der Schweiz.
Als Initiatorin, sagt die freischaffende Künstlerin Kötter, könne sie mit Materialien und Ideen helfen. Aber dann komme es doch auf jede einzelne Katholikin an, sagt sie der Deutschen Welle. Und manche frage sich durchaus ängstlich: "Was sagt unser Pastor, wenn ich mich auf den Vorplatz der Kirche stelle und dann dort mein Vater unser bete?" Kötter weiß auch schon von einer Kirchen-Angestellten, die den Kirchenstreik-Aufruf auf ihrer Facebook-Seite teilte - und daraufhin vom Personalchef ihres Bistums zum Gespräch einbestellt worden sei.

Zumindest Zuspruch der Verbände bekommt Kötter mittlerweile. Die kfd und auch der zweite große katholische Frauenverband, der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), ermuntern ihre Mitglieder, den "Kirchenstreik" vom 11. bis 18. Mai zu unterstützen.

Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
Die Demonstranten tragen ihre Forderungen vor sichBild: DW/Christoph Strack
Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
Unter Kritikern: deutsche Bischöfe außerhalb der KircheBild: DW/Christoph Strack
Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
Fast unter sich: die deutschen Bischöfe in der KircheBild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch