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Zähes Ringen um EU-Verfassung

12. Dezember 2003

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) haben in Brüssel die Suche nach einem Kompromiss im Ringen um die EU-Verfassung aufgenommen. Noch gibt es viele Streitpunkte. Ein Überblick.

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Valery Giscard d'Estaing: Lieber keine als eine schlechte VerfassungBild: AP

Eineinhalb Jahre lang hatten Valery Giscard d'Estaing und sein Verfassungskonvent an einem Entwurf gefeilt, der die Europäische Union auch mit demnächst 25 Mitgliedern noch handlungsfähig machen sollte. Anschließend wurde der Entwurf von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gedreht, gewendet - und zerredet.

Die eigentlich für dieses Wochenende (13./14.12.) vorgesehene Verabschiedung der Verfassung durch den EU-Gipfel in Brüssel droht zu scheitern. Nach Diplomatenangaben sind noch rund 100 Punkte offen, die die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten und Beitrittsländer zu klären haben. DW-WORLD stellt die drei wichtigsten Streitpunkte vor:

  • Stimmenverteilung im Rat
    Hier schlägt der Verfassungskonvent von 2009 an die Einführung einer doppelten Mehrheit vor. Ein Beschluss kommt demnach nur dann zustande, wenn mindestens die Hälfte der Mitgliedsstaaten dafür ist, und wenn diese Mitgliedsstaaten zusammen mindestens 60 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Besonders Deutschland dringt auf die Umsetzung dieses Modells, weil der Einfluss der Bundesrepublik mit seinen 80 Millionen Menschen dadurch steigt. Spanien und Polen lehnen diesen Vorschlag ab. Sie wollen die ab dem 1. Januar 2004 geltende Regelung aus dem Vertrag von Nizza behalten. Dabei werden die Stimmen der Länder zusätzlich gewichtet, was Spanien und Polen als mittelgroßen Ländern mit je 27 Stimmen einen fast so hohen Stimmanteil wie Deutschland mit 29 Stimmen garantieren würde.


  • Zusammensetzung der EU-Kommission
    Der Konventsentwurf sieht eine Verkleinerung der EU-Kommission auf 15 stimmberechtigte Kommissare vor, um die Brüsseler Behörde effizienter zu machen. Damit wäre nicht mehr jedes der künftig 25 Mitgliedsländer in der Kommission vertreten. Besonders die kleineren Mitgliedstaaten dringen aber darauf, einen stimmberechtigten Vertreter nach Brüssel zu entsenden. In diesem Fall haben die sechs größeren Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Spanien und Polen angedeutet, zwei Kommissare zu beanspruchen, wie dies mit Ausnahme Polens zurzeit der Fall ist. In diesem Fall würde die EU-Kommission künftig 31 Vertreter haben. Dies wäre gemessen am Vertrag von Nizza dann sogar ein Rückschritt.


  • Gottesbezug in der Präambel
    Im Entwurf des EU-Konvents wurde lediglich auf die "kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas" verwiesen. Besonders Polen, Spanien und Italien dringen auf einen stärkeren Bezug zum Christentum. Auch Deutschland unterstützt die Forderung. Frankreich dagegen beharrt auf einer neutralen Formulierung und verweist dabei auf die Trennung von Staat und Kirche. Unterstützt wird Paris dabei von Belgien und den skandinavischen Staaten.

Unklar ist unter anderem noch, ob die EU-Staaten eine militärische Beistandspflicht erklären, falls einer der 25 angegriffen wird. Besonders neutrale Staaten wie Österreich und Irland haben hier Bedenken. Strittig ist zudem, ob der EU-Außenminister tatsächlich den Titel "Außenminister" tragen soll. Das Gelingen oder Scheitern des Verfassungs-Gipfels dürfte aber vor allem von der Kompromissbereitschaft über die künftige Stimmengewichtung im Ministerrat abhängen. (hü)