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Zögernder Riese Indien

Priya Esselborn24. September 2013

Nuklearmacht, Regionalmacht, kommende Supermacht: Mit Selbstbewusstsein propagiert Indien seine wachsende Bedeutung für die Weltgemeinschaft. Aber Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch auseinander.

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Das Hotel Taj Mahal (l.) und das Gateway of India (r.) in der indischen Stadt Mumbai (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Lange Zeit lag für Indien nach der Unabhängigkeit 1947 der Fokus seiner Außenpolitik fast ausschließlich auf Südasien, also der eigenen Region. Deshalb wählte es weltpolitisch im Kalten Krieg die Blockfreiheit. Indiens erster Premierminister Jawaharlal Nehru war einer der Hauptunterstützer der Gründung der Bewegung der Blockfreien Staaten 1961. Trotz Blockfreiheit importierte Indien lange Zeit fast ausschließlich Waffen aus der Sowjetunion. Russland galt daher lange Zeit als enger Verbündeter Indiens.

Doch heute sehe sich Indien außenpolitisch mit einer "Gemengelage" konfrontiert, erklärt der Indienexperte und Konflikt- und Friedensforscher Herbert Wulf von der Universität Duisburg. "Die indische Außenpolitik versucht zwar, Akzente zu setzen, doch es ist nicht klar zu erkennen, wo tatsächlich der Fokus der Politik liegt", so Wulf gegenüber der Deutschen Welle.

Flexible Bündnispolitik

Anfang der 1990er Jahre formulierte Indien seine "Look East Policy", durch die es sich den südostasiatischen Staaten wie Thailand, Malaysia oder Vietnam annähern wollte. Im Zuge der Finanz- und Bankenkrise der Jahre nach 2007 verschob sich der Fokus wieder: Indien wurde wie die anderen sogenannten BRICS-Staaten zum Hoffnungsträger eines globalen Wirtschaftsaufschwungs. Die aufstrebenden Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China kommen seit 2009 (später auch Südafrika) zu jährlichen Gipfeltreffen zusammen, um ihr wirtschaftliches Gewicht politisch zu untermauern.

BRICS-Gipfel 2013 in Südafrika (Foto: picture alliance)
BRICS-Gipfel 2013 in SüdafrikaBild: picture-alliance/dpa

In Abkehr von seiner traditionellen Anlehnung an Moskau näherte sich Indien unterdessen immer mehr den USA an. Der indische Premier Manmohan Singh war der erste ausländische Staatsgast, den der amerikanische Präsident Barack Obama nach seinem Wahlsieg 2008 im Weißen Haus begrüßte. Schon zuvor hatten sich die Beziehungen zu den USA deutlich verbessert. Denn mit dem Abkommen von 2005 über zivile Nuklearkooperation wurde Indien als Atommacht sozusagen salonfähig. Das Verhältnis zu China schließlich kann man laut Politikwissenschaftler Wulf, der lange Zeit in Indien gelebt hat, durch die "drei K" charakterisieren: Konflikt, Konkurrenz und Kooperation.

Schwankender Riese mit Forderungen

Indien hat seit Anfang der 2000er Jahre durch sein Wirtschaftswachstum von bis zu zehn Prozent die Welt beeindruckt, leidet allerdings seit Jahren unter Wachstumsschwäche und Inflation. Zur Entfesselung seines gewaltigen Potentials müsste das Land tiefgreifende Reformen anpacken. Dennoch kann Indien im Kampf gegen die Armut und im Bildungswesen Erfolge vorweisen.

Manmohan Singh und Barack Obama auf Bail 2011 (Foto: dapd)
Unter Obama wurde die Annäherung Indiens an die USA fortgeführtBild: dapd

Als die mit 1,2 Milliarden Menschen größte Demokratie der Welt gilt Indien als Garant für Stabilität in einer unruhigen Weltregion. Selbstbewusst fordert Indien deshalb einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Es fordert eine generelle Neustrukturierung internationaler Institutionen, um den sich verschiebenden Machtverhältnissen Rechnung zu tragen. Andererseits ist Indien in alten Mustern verhaftet, wenn es um eine klare Position gegen langjährige Verbündete aus der Blockfreien-Bewegung geht. Dies zeigt das Beispiel Iran, von dem Indien trotz der internationalen Sanktionen weiterhin einen großen Teil seines Öls bezieht.

Positives Image

Der indische Diplomat Shashank war lange Jahre Botschafter und zuletzt Staatssekretär im Außenministerium. Er verteidigt das außenpolitische Auftreten Indiens: "Nur mit Prinzipien alleine kann man keine Politik machen, man braucht auch Pragmatismus. Wenn jemand wie die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton sagt, dass Indien eine globale Rolle spielen sollte, dann ist das erst einmal eine Anerkennung." Doch ob das sofort geschehe oder in fünf oder erst in zehn Jahren, müsse man abwarten, so der indische Diplomat.

Holi-Fest in Indien (Foto: AFP/Getty Images)
Das Frühlingsfest der Hindus (Holi-Fest) gehört inzwischen zur globalen Festival-KulturBild: Sanjay Kanojia/AFP/Getty Images

Indienexperte Herbert Wulf erklärt, wie geschickt Indien seine Stärken auszuspielen weiß. Derzeit stelle Indien nach Pakistan und Bangladesch das drittgrößte Kontingent an Blauhelmsoldaten für Friedensmissionen der Vereinten Nationen. Und anders als Indiens Rivale China, der teilweise als aggressiver kompromissloser Partner wahrgenommen wird, sei es auf sein positives Image bedacht: "Indien ist stolz darauf, dass es die größte Demokratie der Welt ist. Gleichzeitig betont es, dass es Demokratie nicht exportieren will." Indiens Kultur, Küche, selbst die Bollywoodfilme würden weltweit geschätzt. "Das ist die große Stärke Indiens: die Freiheit der Presse, die säkulare Ausrichtung, seine multikulturelle Gesellschaft."