Der Moskauer Kreml bei Sonnenuntergang
DaF-Verbände weltweit

Russischer Deutschlehrerverband

In den Regionen sind wir stark. Das ist das Motto des Überregionalen Deutschlehrerverbands Russlands. Dank einer Bildungsreform, die eine zweite Fremdsprache vorschreibt, kann sich der Verband intensiv einbringen.

Irina Ganieva ist die erste Präsidentin des noch recht jungen überregionalen russischen Deutschlehrerverbands, die nicht aus der Hauptstadt Moskau kommt. Sie lebt in Ufa etwa 100 Kilometer westlich des Ural. Dort unterrichtet sie an der Baschkirischen Staatlichen Universität Germanistik und Deutsch als Fremdsprache. 

Deutsche Welle: Frau Ganieva, dass eine Nicht-Moskauerin den überregionalen Deutschlehrerverband leiten soll, war eine bewusste Entscheidung des Verbands, wieso?

Irinia Ganieva: Die Situation in Moskau unterscheidet sich zum Teil sehr stark von der in den Regionen. In Moskau sieht es für Deutsch im Speziellen etwas positiver aus. Wenn man selbst aus einer der Regionen kommt, hat man einen anderen Einblick und kennt die Probleme, die unsere Mitglieder zurzeit beschäftigen. 

Welche Probleme sind das?

Zum Beispiel ist eine unserer großen Herausforderungen gerade, Deutsch wieder zu beleben. Deutsch ist als Unterrichtsfach massiv zurückgegangen. Allerdings gibt es auch gute Nachrichten: Dank eines seit 2015 geltenden russlandweiten Bildungsstandards ist die zweite Fremdsprache zu einem Pflichtfach geworden. In Moskau wird dieser neue Standard dann viel eher eingehalten. 

Das ist ja eine tolle Nachricht für Sie als Deutschlehrerin, dass eine zweite Fremdsprache zur Pflicht wird.

Natürlich! Aber trotzdem läuft nicht immer alles reibungslos ab. Wir bemühen uns jetzt, dass Deutsch als diese zweite Fremdsprache nach Englisch etabliert wird. Da versuchen wir in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Herangehensweisen, bei denen wir auch mit dem Goethe-Institut im Rahmen des Projekts „Deutsch die erste Zweite“ zusammenarbeiten.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie da konkret? 

Noch immer werden trotz des Standards nicht in allen Regionen zwei Sprachen angeboten. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. In manchen Regionen sind die Schüler beispielsweise überlastet, weil sie neben Russisch auch noch einen muttersprachlichen Unterricht als Pflichtfach haben. Zum anderen geht es jetzt auch konkret darum, dass wir zu wenig Deutschlehrer haben. Wir müssen die alten Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen zurückholen, sie fortbilden, weiterbilden und umbilden. Da sind die Verbände vor Ort sehr aktiv, da gibt es viel zu tun.

Von wo holen Sie denn diese Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen zurück?

In meiner Region beispielsweise habe ich meine ehemaligen Deutsch-Studentinnen angeschrieben, die auch Englisch gemacht haben und dann auch nur Englisch unterrichtet haben. Viele Lehrer hatten zu wenige Unterrichtsstunden, da auch die Zahl der Stunden für unsere regionale Muttersprache Baschkirisch in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Manche Lehrer mussten für andere Fächer einspringen, andere waren sogar arbeitslos. 

Wir haben mit dem lokalen Bildungsinstitut dann ein Umschulungsprogramm entwickelt und diese Lehrer zu Deutschlehrern umgeschult. Das betrifft natürlich nur solche, die zuvor bereits Deutsch gelernt haben oder Interesse an der deutschen Sprache haben. Da gibt es auch interessante Fälle. Wir haben beispielsweise eine Lehrerin umgeschult, die eigentlich Chemie unterrichtet, aber privat Deutsch gelernt hatte und es auch auf einem guten Niveau spricht. Sie unterrichtet jetzt an der Schule Deutsch und Chemie.

Das ist ja sehr interessant! Man denkt erst einmal, das sind tolle Nachrichten. Aber für Sie natürlich direkt mit viel Arbeit verbunden. 

Genau, und ein wichtiger Punkt ist nicht nur die Rekrutierung und Ausbildung von Lehrern, sondern auch die Aufklärung der Eltern. Wir versuchen ihnen zu zeigen, dass es nicht darum geht, dass alle Schüler Linguisten werden, sondern wir setzen vor allem auf Deutsch als Kommunikationsmittel. Dafür machen wir auch unsere Deutsch-Marathons, das ist ein Markenzeichen unseres Verbands DLV. Beim letzten haben 10.000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen.

Das klingt nach einer Mammutaufgabe, wie arbeiten Sie in einem so großen Land konkret zusammen im Verband? 

Wir haben jetzt einen digitalen Raum eingerichtet, in dem die Kommunikation des Vorstands abläuft. Persönlich treffen wir uns nur einmal im Jahr. Das machen wir jetzt schon seit drei, vier Monaten, und es hat sich bewährt.

DLV Russischer Deutschlehrerverband
Der Vorstand des Russischen Deutschlehrerverbandsnull privat

Sie waren im Jahr 2014 auch bei der Gründung des überregionalen Verbands dabei, wieso ist Ihnen der Verband so wichtig? 

Vor allem wegen des Austauschs. Wir unterstützen uns gegenseitig. Es ist wichtig, dass wir zahlreich sind und als dieser große Verband Einfluss auf die Bildungspolitik haben. Wir sind beispielsweise an der Konzipierung des Curriculums für Deutsch an den Schulen beteiligt. Deutschlehrerinnen und -lehrer wurden in den letzten Jahren stark benachteiligt. Zu wissen, dass man ein Netz hat, dass man unterstützt wird und nicht alleine ist, das ist eine hohe Motivation für uns.

Zu guter Letzt würde ich gerne noch auf ihre ganz praktische Arbeit als Deutschlehrerin eingehen, nutzen Sie da auch die Angebote der Deutschen Welle?

Die Deutsche Welle ist Teil jeder Unterrichtsstunde bei uns. Wir waren in unserer Region sogar die ersten, die EINSHOCH6 nach Russland eingeladen haben. Wir nutzen fast alle Angebote: das Deutschlandlabor, den Audio-Trainer, die Podcasts der Deutschen Welle. Ich höre sie auch selbst jeden Tag an. Alles wird genutzt. Die DW steht in unserem Arbeitsprogramm bei Quellen im Internet immer an der ersten Stelle. Und soweit ich weiß, ist das in allen Regionen so.
 

Die wichtigsten Infos in Kürze:

Der Überregionale Deutschlehrerverband Russlands (DLV) wurde 2014 gegründet und hat knapp 1300 Mitglieder. Der Verband vereint alle russischen Regionalverbände für Deutschlehrer unter einem Dach.
 

Vorstandsgremium:

Zentralrussland:

  • Irina Ganieva (Präsidentin)
  • Irina Agranovskaya (fachdidaktische Beratung)
  • Igor Katassonow (Webauftritt)
  • Irina Kruse (Sicherung der Verbandsarbeit)
  • Irina Rozhdestwenskaja (Sicherung der Verbandsarbeit)
  • Olga Martens (Partner und Sponsoren)

Nordwestrussland:

  • Mikhail Koryshev (Föderales Netzwerk)
  • Julia Mirkina (Werbung)

Südrussland/Nordkaukasus:

  • Tumischa Abdukadyrowa (bildungspolitische Aufgaben)
  • Anna Lenets (DAF-Förderung im Hochschulbereich)
  • Walentina Schurygina (fachdidaktische Beratung, Fortbildung)

Ural/Wolga:

  • Nadeshda Grischko (Werbung)
  • Irina Lapteva (Webauftritt)

Sibirien:

  • Irina Amzarakova (Sicherung der Verbandsarbeit)
  • Elena Negodina (DaF-Förderung, Schul- und Berufsschulbereich)

Fernost:

  • Anatolij Karpov (Partner und Sponsoren)
  • Larissa Kulpina (Bildungspolitische Aufgaben)
     

IDV-Kontaktperson:

Frau Dr. Irina Ganieva, irina.f.ganieva [at] mail.ru