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Kommentar: Hier irrte Mutter Leadsom

11 de julio de 2016

Sind Mütter bessere Politikerinnen? Andrea Leadsom musste wegen umstrittener Äußerungen aufgeben. Jetzt wird Theresa May britische Premierministerin und sie steht unter großem Entscheidungsdruck, meint Barbara Wesel.

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Leider sind Frauen in der Politik nicht im Prinzip die besseren Menschen. Sie sind auch nicht von vornherein die faireren Wahlkämpferinnen. Den Beweis dafür lieferte in den vergangenen Tagen Andrea Leadsom, Kandidatin für das Amt der britischen Premierministerin. Jetzt brach ihr ein Interview in der Zeitung "Times" das Genick, in dem sie sich als bessere Regierungschefin anpries, weil sie Mutter von drei Kindern sei. Mütter hätten mehr Interesse an der Zukunft als Kinderlose, so erklärte die Staatssekretärin für Energie, weil sie sich um die Aussichten ihrer Familie sorgten. Und deshalb könnten sie auch besser für ein Land sorgen. So weit und so blöd. Die Debatte machte über Tage Schlagzeilen.

Populismus fördert untaugliche Kandidaten

Perfide aber war das insoweit, als Innenministerin Teresa May gerade zuvor in einem TV-Interview zu ihrer Person und Kandidatur erzählt hatte, dass sie und ihr Mann es bedauerten, ungewollt kinderlos zu sein. In diese Wunde also stach Leadsom zielsicher mit der Nagelschere und drehte diese noch ein paar Mal kräftig. Das allein würde sie schon für höhere Staatsämter disqualifizieren. Nicht wegen charakterlicher Mängel - wo würden wir da anfangen - sondern wegen massiver Dummheit. Und als Leadsom dann auch noch empört von der "Times" eine Gegendarstellung verlangte und behauptete, sie habe das alles so nicht gesagt, war es ganz aus. Man legt sich nicht mit dem Zentralorgan des britischen Establishment an - und schon gar nicht wenn man lügt: Natürlich hatten die Journalisten alles ordentlich aufgezeichnet und natürlich hatte Leadsom alles haargenau so gesagt, wie es gedruckt wurde.

Die Briten können sich gratulieren, dass ihnen diese Frau als Premierministerin erspart bleibt. Zuvor war schon aufgeflogen, dass der Lebenslauf der angeblichen Investmentbankerin weitgehend gefälscht, höflich gesagt: gewaltig aufgeblasen war. Reihenweise meldeten sich Banker aus der Londoner City, die von der Dame noch nie zuvor gehört hatten. Was ihre Anhänger aus dem Brexit-Camp allerdings kein bisschen störte: Für sie zählte allein, dass Leadsom während der Kampagne leidenschaftlich für den britischen EU-Ausstieg gekämpft hatte. Völlig egal war dabei, dass sie die Briten von vorn bis hinten mit den hinlänglich bekannten falschen Zahlen und Fakten belog. Was bei Rechtspopulisten zählt, ist allein der Glaube. Und so werden charakterlich wie intellektuell unfähige Kandidaten nach oben gespült.

Brexit-Lager personell am Ende

Die Polit-Turbulenzen um den Brexit forderten jetzt also ein weiteres Opfer. Übrigens hat sich Boris Johnson hier noch ein weiteres Eigentor verpasst, weil auch er für Andrea Leadsom votierte. Vielleicht sollte Johnson sich ganz aus der Politik zurückziehen und nur noch Zeitungskolumnen schreiben - da bleibt sein mangelndes Urteilsvermögen wenigstens folgenlos. Mit dem Abgang von Leadsom aber ist das Brexit-Lager personell völlig am Ende: Johnson und Gove bei den Tories - im politischen Aus. Nigel Farage bei Ukip - wartet auf bessere Zeiten. Bleibt noch der Finanzier der Leave-Kampagne, der zweifelhafte Investment-Multi-Millionär Arron Banks, der erst Ukip unterstützte und dann Andrea Leadsom. Er denkt jetzt selbst über eine Rolle in der Politik nach - was auch sonst?

Druck auf Theresa May

Innenministerin Theresa May wird nun die Nachfolge von David Cameron antreten ohne weitere Wahlvorgänge, einfach weil es keine weiteren Kandidaten und Kandidatinnen mehr gibt. Und das bei einer konservativen Partei, deren Rechtsausleger die angeblich undemokratischen, weil nicht gewählten EU-Bürokraten so heftig bekämpften. Ist das noch komisch, oder ist es aus dem Drehbuch für "House of Cards"?

Theresa May ist um das Amt und das politische Erbe nicht zu beneiden. Immerhin hat sie genügend Regierungserfahrung, um es zu meistern. Aber sie soll nun einen Brexit umsetzen, den sie selbst nicht gewollt hat, und dessen Gegner sich inzwischen formieren. Sie findet in ihrem künftigen Dienstschreibtisch keinen Plan ihres Vorgängers für den Fall B vor. Und sie wird gedrängt, den Austrittsantrag nach Artikel 50 schnell zu stellen, um die EU von der Unsicherheit des Brexit zu befreien. Bisher aber hat sie nicht das Personal und die Erfahrung, um die schwierigen Ausstiegsverhandlungen zu steuern. Zumindest aber bekommen Großbritannien und der Rest Europas mit ihr eine Profipolitikerin und keine Fanatikerin. Das allein ist schon Grund zu einer gewissen Dankbarkeit.