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Kleine Anfrage, große Aufregung

17 de agosto de 2016

Dass die Türkei Islamisten unterstützt, ist keine gewagte Behauptung. Auch die Bundesregierung sieht das so. Ihr nun enthülltes vertrauliches Schreiben ist allerdings ein bemerkenswerter Vorgang, meint Marcel Fürstenau.

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Bildkombo Angela Merkel Recep Tayyip Erdogan
Trauen sich schon lange nicht mehr über den Weg: Merkel (r.) und ErdoganImagen: picture-alliance/dpa/Sagolj/Zivulovic/Kombo

Angela Merkel wird alles andere als entzückt sein. Kaum hat sie die Regierungsgeschäfte nach ihrem Urlaub wieder aufgenommen, schon sorgt eine unerfreuliche Nachricht für Aufsehen. Sie trifft die Kanzlerin an der empfindlichsten Stelle: dem Verhältnis zur Türkei. Die und ihren unberechenbaren Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hält die Bundesregierung anscheinend für Unterstützer islamistischer Terroristen. So kann, so soll man - je nach Lesart - das teilweise als vertraulich eingestufte Schreiben der Bundesregierung verstehen, aus dem die ARD zitiert.

In der Tat hat es die deutsche Regierung bislang vermieden, ihren schwierigen NATO-Partner öffentlich in die Nähe von Terroristen zu rücken. Daran kann sie auch nicht das geringste Interesse haben, vor allem wegen der alles überlagernden Flüchtlingsfrage. Nun aber wird im Berliner Regierungsviertel (und wohl nicht nur dort) schon munter spekuliert, Erdogan könnte das mit der Europäischen Union geschlossene Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen kippen. Dass es dazu kommen wird, ist aber eher unwahrscheinlich. Dafür gab es aus Sicht des selbstherrlichen Machthabers in Ankara schon ganz andere Anlässe. Allen voran den Schmäh-Text des Satirikers Jan Böhmermann.

Der Verdacht fällt reflexartig auf die Linke

Natürlich bleibt die Sache für Merkel trotzdem höchst unangenehm. Sie muss nun ausbaden, was ihr andere eingebrockt haben. Und wer daran fahrlässig oder vorsätzlich mitgewirkt hat, ist keinesfalls klar. Laut ARD stammt das vertrauliche Schreiben vom Parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerin, Ole Schröder. Er und sein Chef Thomas de Maizière (beide CDU) werden aber einen Teufel tun, ihre Kanzlerin und Parteivorsitzende ohne Not in Bedrängnis zu bringen. Also fällt der Verdacht auf die Empfängerin der brisanten Antwort auf eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung: die Linke.

Kommentarfoto Marcel Fürstenau Hauptstadtstudio
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauImagen: DW/S. Eichberg

Dass deren Abgeordnete gerne Geheimnisse an Medien verraten würden, werfen ihnen manche aus dem Regierungslager immer wieder mal vor. Das Lancieren brisanter Informationen ist allerdings eine Kunst, die alle im politischen Betrieb beherrschen. Im vorliegenden Fall ist die Vermutung aber schon deshalb naheliegend, weil die Linke als einzige im Bundestag vertretene Partei die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik vehement ablehnt.

In dem Wissen darum stellt sich dann aber die Frage, warum überhaupt vertrauliche Details in dem Schreiben enthalten sind? Denn oft wird der Opposition, zu der auch die Grünen gehören, unter Verweis auf das Staatswohl jede Auskunft verweigert. Es gibt also keine plausibel klingende Erklärung für das Vorgehen der Bundesregierung in dieser Angelegenheit. Es sei denn, man hält das Ganze für einen dumm gelaufenen Alleingang des Innenministeriums. Argumente für diese Interpretation liefert der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich: "Bei einer so sensiblen und weitreichenden Einschätzung hätte das Auswärtige Amt einbezogen werden müssen", zitiert ihn die ARD.

Die Bundesregierung ist in Erklärungsnot

In der Tat wäre es erstaunlich, wenn sich das Kabinett nicht abgestimmt haben sollte. Dafür ist das Risiko, im angespannten Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei durch unbedachte Äußerungen noch mehr Porzellan zu zerschlagen, viel zu groß. Die Bundesregierung wird Mühe haben, diesen bemerkenswerten Vorgang zu erklären. Dabei spielt es keine Rolle, dass sie nur zum Ausdruck gebracht hat, was ohnehin offensichtlich ist: das enge Verhältnis der Türkei zu islamistischen Strömungen. Eine Nähe, die dem Anschein nach auch vor Terrorgruppen wie der Hamas keinen Halt macht.