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Abbas unter Druck

7. Oktober 2009

Eine Welle von Rücktrittsforderungen bricht über Palästinenserpräsident Abbas herein. Nach einem umstrittenem Abstimmungsverhalten im UN-Menschenrechtsrat kämpft Abbas ums politische Überleben.

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Mahmud Abbas vor einem Plakat mit Arafat, Foto: ap
Im Schatten Arafats: Noch nie war Abbas so unter Druck wie jetztBild: AP

"Lügner", "Sünder", "Verräter", aber auch mit weit robusteren Begriffen apostrophieren Palästinenser in der Westbank derzeit ihren Präsidenten. Erstmals seit seiner Amtsübernahme 2005 schallen Mahmud Abbas aus allen politischen Lagern Rücktrittsforderungen entgegen.

Bejamin Netanjahu, Barack Obama und Mahmud Abbas, Foto: AP Photo/Charles Dharapak
Umstrittenes Treffen - Mahmud Abbas (rechts) mit dem israel. Ministerpräsidenten Netanjahu und US-Präsident Obama Ende September in New YorkBild: AP

Übel wird dem 74-Jährigen nicht nur genommen, Ende September in New York den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu getroffen zu haben. Das hatte Abbas lange kategorisch ausgeschlossen. Er werde solange mit Netanjahu nicht persönlich sprechen, bis dessen Regierung einen umfassenden Baustopp in den jüdischen Siedlungen verfüge, hatte er zuvor wie ein Mantra gepredigt. Als US-Präsident Barack Obama ihn quasi einbestellte, war es mit der Standhaftigkeit vorbei.

In den Augen vieler Landsleute verspielte Abbas seine Glaubwürdigkeit vollends am vergangenen Freitag (02.010.2009). Da stimmte seine Autonomiebehörde im UN-Menschenrechtsrat zu, den so genannten Goldstone-Report über den Gaza-Krieg erst im März 2010 zu verhandeln. Der UN-Bericht war zu dem Schluss gekommen, dass bei dem Gaza-Krieg Anfang des Jahres Kriegsverbrechen und möglicherweise auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Auf palästinensischer Seite hatte man gehofft, mit Hilfe des Berichts Israel erstmals deswegen anklagen zu können. In Israel stößt der Bericht auf wenig Gegenliebe. Die Annahme des Goldstone-Reports sei der "Todesstoß für den Friedensprozess", hatte Netanjahu angedroht.

Druck aus Washington? Drohungen aus Tel Aviv?

Über das Abstimmungsverhalten der palästinensischen Delegation in Genf schießen nun Spekulationen ins Kraut. Hani Masri, ein der Fatah-Organisation von Abbas nahe stehender Experte spricht von einer "Sünde" des Präsidenten. "Niemand anderes als der Präsident kann eine solche Entscheidung treffen, deshalb ist er dafür verantwortlich".

Richter Richard Goldstone, Foto: ap
Wirft Israel und den Palästinensern Kriegsverbrechen vor: GoldstoneBild: AP

Allenthalben wird Druck der US-Regierung hinter dem "Einknicken" des Präsidenten vermutet. Zugleich machen Verschwörungstheorien in Ramallah die Runde, wonach die palästinensische Führung von Israel unter Druck gesetzt wurde. Es gebe belastende Tonbänder, auf denen Vertreter der Regierung Abbas Israel um eine Verlängerung des Gaza-Feldzuges gebeten habe, bis die verfeindete Hamas in die Knie gezwungen sei.

Da verwundert es kaum, dass der Chor der Kritiker von der Hamas angeführt wird, der größten innenpolitischen Rivalin der Fatah. Von einem "Hochverrat" spricht die Hamas und fordert, dem Präsidenten die palästinensische Nationalität abzuerkennen.

Versöhnungsabkommen fraglich

Am Montag noch war die Unterzeichnung eines innerpalästinensischen Versöhnungsabkommens Ende Oktober angekündigt worden. Hamas und Fatah wollten damit den Weg für Wahlen in den Palästinensergebieten Mitte 2010 ebnen. Die Abstimmung im Genfer UN-Menschenrechtsrat könnte dies nun vereiteln, unterstrichen Hamas-Sprecher.

Das bleibt nicht das einzige Leck, das Mahmud Abbas nun zu flicken hat. Ein für Dienstag (06.10.2009) geplanter Besuch des Palästinenserpräsidenten in der syrischen Hauptstadt Damaskus wurde von den Gastgebern kurzerhand abgesagt – aus Verärgerung über Abbas' Rückzieher im UN-Menschrechtsrat. Der Präsident, heißt es, behalte sich derweil personelle Konsequenzen vor. Von einigen Beratern erwägt sich Abbas nun zu trennen.

Autor: Sven Töniges (ap/dpa/afp)

Redaktion: Ina Rottscheidt