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Abschied vom Taktstock-Titan

15. Februar 2002

Nur selten schafften andere Musiker, was Günter Wand gelang. Mit 62 Jahren startete der Dirigent noch einmal eine zweite, eine Weltkarriere.

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Günter Wand (1912-2002)Bild: AP

Dabei hatte der Kölner General-Musikdirektor bei seiner Pensionierung 1974 eigentlich alles erreicht, was von dem Sohn eines Wuppertal-Elberfelder Kaufmanns erwartet werden durfte. Zuletzt stand Günter Wand an den Pulten renommierter internationaler Orchester und wurde weltweit als Bruckner- und Brahms-Interpret gefeiert.

Am 14. Februar starb der deutsche Dirigent in seinem Schweizer Wohnsitz, einem 300-Seelen-Dorf bei Bern - nur einen Monat nach seinem 90. Geburtstag, der von einem häuslichen Sturz kurz zuvor überschattet gewesen war. Dabei hatte sich Wand seinen "Dirigierarm" gebrochen.

Vor allem Bruckners Symphonien waren es - neben denen von Brahms und Schubert - die ihm in den letzten 30 Jahren seines Lebens zu Weltruhm verhalfen. Seine Schallplatten-Aufnahmen und die Mitschnitte seiner Konzerte wurden bei Musikenthusiasten fast zum Kult, in einem Atemzug genannt mit Produktionen von Herbert von Karajan und Wilhelm Furtwängler. Er war der letzte des berühmten Dirigenten-Jahrgangs 1912, zu dem auch Georg Solti und Sergiu Celibidache gehörten.

Kein "Stardirigent"

Günter Wand verdankte seine Erfolge harter Arbeit und einer unglaublichen Vertiefung in die Werke der Komponisten, deren schöpferische Intentionen er bis ins letzte Detail nachzuvollziehen versuchte. So soll er sich monatelang
allein auf ein Dirigat von Bruckners Fünfter vorbereitet haben.

Er verlangte fünf Proben pro Konzert, und erst im Alter von über 60 Jahren erlaubte er sich, Franz Schuberts neunte Symphonie zu leiten. "Ich habe von Anfang an den Ehrgeiz besessen, im Musizieren den Kompositionsprozess noch bis ins Kleinste nachzudenken", bemerkte er einmal.

Wand, einst Chef- und bis zuletzt Ehrendirigent des NDR-
Sinfonieorchesters, hatte schon während seines Studiums an der Universität und Musikhochschule Köln praktische Erfahrungen am Pult gesammelt, mit 20 zuerst an der Oper in Wuppertal, danach in Allenstein in Ostpreußen und Detmold.

Schwierige Zeiten

Zunächst vergeblich hatte Wand versucht, den Sprung aus der Provinz zu schaffen. Die Kulturbonzen der Nazis legten sich quer gegen den Mann, der sich hartnäckig weigerte, in die NSDAP einzutreten. Erst zu Kriegsbeginn kam er bis 1944 als Erster Kapellmeister ans Kölner Openhaus, dessen Intendant ihm riet, über die Weigerung einfach zu schweigen. Dennoch geriet er 1942 in die Fänge der Gestapo, denen er nur durch einen Musik liebenden Staatsanwalt entging.

Als das Opernhaus im Bombenkrieg versank, wurde Wand Chef des Mozarteums in Salzburg, wo er am 30. April 1945 das letzte Konzert des Krieges dirigierte, aber auch für die gerade einmarschierten Amerikaner eine schmissige Revue. Schon im Herbst kehrte er nach Köln zurück, baute das Musikleben auf und wurde 1946 General-Musikdirektor
der Stadt.

Der langsame Ruhm

Der 1948 zum Professor Ernannte widmete sich mit dem Gürzenich-Orchester bald nur noch der sinfonischen Musik und dirigierte als einer der ersten seines Fachs Werke der neuen Komponisten von Fortner bis Bernd Alois Zimmermann und von Hindemith bis Honegger.

Schon damals führten ihn viele Einladungen ins Ausland, 1959 sogar ans Pult der führenden Orchester in der Sowjetunion. Merkwürdigerweise fanden seine preisgekrönten etwa 30 Aufnahmen auf französischen Schallplatten in Deutschland kaum ein Echo. Preiswürdig fand die Musikwelt offenbar erst sein Alterswerk, und so wurde die Reihe seiner Auszeichnungen aus den siebziger und achtziger Jahren 1994 vom Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband gekrönt.

Seine Konzerte, etwa beim Schleswig-Holstein Musik Festival, waren umjubelt, ohne dass Wand wie andere Dirigenten Wert auf besondere Gestik gelegt hätte. NDR-Intendant Jobst Plog: "Das Publikum hat Günter Wand als einen herausragenden Dirigenten verehrt, mehr noch: Es hat ihn geliebt."