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Ausländerfeindlichkeit als Staatsräson?

Kirstin Hausen17. Februar 2009

"Lega Nord", Koalitionspartner von Berlusconi, drückt den Regierungsdekreten ihren ausländerfeindlichen Stempel auf: Abschiebung ohne angemessenes Asylverfahren, Ärzte, die ihre Patienten verpfeifen und Bürgerwehren.

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Umberto Bossi, Quelle: DPA
Er ist das Gesicht der Lega Nord: Umberto BossiBild: picture-alliance/ dpa

In Rom stürmten am Sonntagabend (15.02.2009) zwanzig vermummte junge Männer mit Baseballschlägern einen Döner Kebab-Laden. Sie zertrümmerten das Inventar und verprügelten vier junge Rumänen, die sich dort aufhielten. Am Montag bat Roms rechts-konservativer Bürgermeister Gianni Alemanno die Bürger öffentlich, keine Selbstjustiz zu üben.

So angespannt ist das Klima in der Stadt nach der Vergewaltigung einer 14-Jährigen in einem verwahrlosten Stadtpark. Die Polizei sucht zwei Rumänen, die der Tat verdächtigt werden. Im italienischen Fernsehen ist von einer "Jagd auf die kriminellen Ausländer" die Rede.

Rumänen vor der Abschiebung, Quelle:DPA
Sie sind für viele Italiener an allem Schuld: Rumänen vor der Abschiebung im Mai 2008.Bild: picture-alliance/ dpa

Für die Sicherheit ist die Polizei zuständig

Politiker der "Lega Nord" nutzen das Verbrechen, um ihre ausländerfeindliche Hetze zu verbreiten. "Ich habe die Baracken solcher Leute abreißen lassen“, brüstet sich etwa Giancarlo Gentilini, stellvertretender "Lega Nord“-Bürgermeister von Treviso.

Italiens Innenminister Roberto Maroni, Mitglied der "Lega Nord“ schon von Gründungstagen an, trägt diese Law-and-order-Politik in die Regierung. Sein neuster Plan ist die Legalisierung der uniformierten Bürgerwehren, die sich in den Hochburgen der "Lega Nord“ organisiert haben. Es sind Freiwillige, die nachts durch die Straßen patrouillieren, um die Bürger - wie sie sagen - durch abschreckende Präsenz vor Verbrechen zu schützen. Regierungschef Berlusconis hat dem Ansinnen bereits zugestimmt. "Das ist nicht akzeptabel. Um die Sicherheit der Bürger kümmert sich die Polizei“, erklärt dagegen Oppositionsführer Walter Veltroni.

Polizisten in Rom, Quelle: AP
Bei der Polizei fehlt es am Nötigsten - und vor allem am Geld.Bild: AP

Wer ist Schuld?

Doch die Polizei hat immer weniger Geld und immer weniger Personal. Schuld daran sei die gleiche Regierung, die mehr Sicherheit auf den Straßen verspricht, kritisiert Claudio Giardullo, Sprecher der italienischen Polizeigewerkschaft. "Das Haushaltsgesetz für dieses Jahr hat das Budget für die Polizeikräfte um 20 Prozent verringert, das sind eine Milliarde Euro weniger als früher. Die katastrophalen Folgen einer solchen Kürzung konnte sich jeder ausrechnen“, sagt er.

In der Provinz von Neapel, wo seit Monaten ein Camorrakrieg tobt, stehen mehr als 200 Polizeiwagen unbenutzt in der Garage, weil das Geld für Reparaturarbeiten fehlt. In Rom sind es fast genauso viele. Die Angst der Bürger vor Diebstahl und Überfällen auf offener Straße wird dadurch noch verstärkt. Und Schuld sind in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem Osteuropäer und Nordafrikaner.

Atmosphäre der Angst

Das aggressive gesellschaftliche Klima macht vielen Einwanderern in Italien inzwischen Angst. Viele versuchen in andere Länder weiterzureisen. Das geht natürlich nur mit gültigen Papieren. Wer die nicht hat, traut sich kaum noch aus dem Haus – so wie Aziz. Der junge Ägypter verbringt seine Freizeit vor dem Fernseher, in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die er sich mit fünf anderen Illegalen teilt. "Im Fernsehen sagen sie, die illegalen Einwanderer seien Schuld an allen Problemen, die Italien hat“, sagt Aziz.

Er glaubt nicht mehr daran, irgendwann eine Aufenthaltsgenehmigung und einen festen Arbeitsplatz zu bekommen. Früher oder später wird er nach Ägypten zurückkehren müssen, aber dann will er Geld mitbringen. Dafür arbeitet er schwarz und zu Dumpinglöhnen auf Baustellen oder als Tellerwäscher. Den Gewinn machen skrupellose Unternehmer, meist Italiener. Das aber sagen die Politiker der "Lega Nord“ nicht.