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Chefredakteurin mit 700 Euro im Monat

15. Juni 2009

Viele junge Portugiesen sehen nur einen Weg, Geld zu verdienen: Sie wandern aus. In Portugal spricht man bereits von der "Generation 500", denn die jungen Leute verdienen oft nur 500 Euro – wenn überhaupt.

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Zeitungen und Internet
Auch die Zeitungsbranche ist in der KriseBild: DW / Görner

Madalena Alçada Baptista sitzt am Computer. Im Fernsehen läuft SIC Notícias, der portugiesische Nachrichtensender. Ihr Arbeitsplatz ist ein kleines Büro im vierten Stock eines modernen Geschäftsgebäudes: die Redaktion der Gesundheitszeitschrift "Prevenir". "Wir sind nur zwei Personen in der Redaktion, da kommt man kaum raus. Das ist frustrierend, denn Journalismus ist eigentlich Recherche und Interviews", sagt Madalena. Doch dafür hätte sie kaum Zeit.

Ein Job, aber wenig Geld

Ein mit Studenten gefüllter Hörsaal (06.11.2002/Uli Deck dpa/lsw)
Vom Hörsaal in den schlecht bezahlten Job: So hatte sich das die "Generation 1000" nicht vorgestelltBild: picture alliance/dpa

Die 26-jährige Madalena stammt aus einer Schriftstellerfamilie. Vier Jahre lang hat sie Journalismus studiert, spricht fließend Englisch und etwas Französisch. Seit fast einem Jahr arbeitet Madalena bei der Zeitschrift, vorher hat sie sich drei Jahre lang mit allen möglichen Jobs durchgeschlagen: "Als ich es schon nicht mehr erwartet habe, kam die Einladung zum Job-Interview - und hier bin ich jetzt", erzählt sie.

Jetzt ist Madalena Chefredakteurin - wenn auch ohne Untergebene - und verdient 700 Euro im Monat. Sie ist eine der vielen, die in Portugal zur "Generation 500" gezählt werden: Sie haben studiert und verdienen trotzdem nur rund 500 Euro im Monat. Aber anders als viele ihrer früheren Studienkollegen hat Madalena wenigstens einen Job: "Ich verdiene zwar schlecht, aber ich bin zufrieden. Ich fühle mich erfüllt, bin nicht unglücklich, weil ich so wenig verdiene. Klar hätte ich gern mehr, aber im Augenblick geht es", sagt die Journalistin.

Ausweg: Auswandern

Koffer (16.10.1998)
Viele portugiesische Studienabgänger spielen mit dem Gedanken auszuwandernBild: AP

Damit das Geld reicht, teilt Madalena sich eine kleine Wohnung mit einer Freundin: 300 Euro zahlt sie für die Miete, mit dem restlichen Geld kauft sie Lebensmittel und Klamotten. Am Ende des Monats bleibt da nicht viel übrig. Das sei frustrierend, gibt sie zu. "Wir haben studiert, wir wollen etwas leisten, wir arbeiten gerne - und bekommen dafür keinerlei finanzielle Anerkennung."

Madalena erzählt von Kollegen, die es noch härter haben: Sie arbeiteten als Scheinselbstständige, das heißt, sie bekommen von ihrem Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge - obwohl sie eigentlich ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis haben. Madalena selbst habe immerhin einen Vertrag mit Probezeit, sagt sie. Doch Arbeitgeber stellten selbst qualifizierte junge Leute bestenfalls auf Zeit und oft nur zum staatlich garantierten Mindestlohn von 400 Euro im Monat ein. "Ich weiß nicht, welche Logik dahinter stecken soll. Das demotiviert uns doch nur, obwohl wir kompetent sind." Viele gingen darum ins Ausland, denn in Portugal hätten sie keine Sicherheit. Hier könnten sie nur Jobs in Call-Centern oder Supermärkten finden. Eine Freundin von Madalena hat Psychologie studiert und einen Job in London gefunden, eine andere arbeitet dort als Portugiesischlektorin an der Uni.

Mehr Geld – unmöglich

Auch Madalena wollte eigentlich ins Ausland – sie ist jedoch geblieben, weil sie das Angebot der Gesundheitszeitschrift bekam. Ihr großes Ziel ist es, später einmal Herausgeberin zu werden. Am liebsten bei einer Feinschmeckerzeitschrift. Doch erst einmal werde sie bei ihrem Job bleiben - gerne mit mehr Gehalt. "In zwei Jahren würde ich gerne um die 2000 Euro verdienen. Aber ich glaube nicht, dass das möglich ist."

Autor: Jochen Faget
Redaktion: Julia Kuckelkorn / Mareike Röwekamp