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Der Geldhahn bleibt zu

Jan Friedmann23. April 2002

Sparen, sparen, sparen, fordert der Internationale Währungsfonds von Argentinien. Geht nicht mehr, sagt die Regierung. Unterdessen verschärft sich die Finanzkrise des Landes: Die Bürger fürchten um ihr Geld.

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Ausverkauf in ArgentinienBild: AP

Argentinien - immer wieder war auf den Fluren des Internationalen Währungsfonds (IWF) das Stichwort zu hören. Die Krise der südamerikanischen Staates beherrschte die Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington. Zugleich ließen die Finanzminister der sieben wichtigsten Industrienationen (G-7-Staaten) und ihre Kollegen aus den anderen 176 Mitgliedsstaaten des IWF aber wenig Bereitschaft erkennen, Argentinien weitere Kredite zu gewähren.

Der IWF stellte Forderungen an die argentinische Regierung: Das Land müsse den Schuldendienst an seiner Gläubigern wieder aufnehmen, die Ausgaben kürzen und die Steuern erhöhen. Außerdem solle die Regierung den Kurs des Peso nicht durch Interventionen beeinflussen.

30 Prozent Arbeitslosigkeit

Argentinien ist mit mehr als 140 Milliarden Dollar überschuldet und hat sich im Dezember 2001 für zahlungsunfähig erklärt. Das südamerikanische Land steckt seit vier Jahren in der Rezession. Die Arbeitslosigkeit wird auf rund 30 Prozent geschätzt.

Argentiniens Präsident Eduardo Duhalde hält weitere Steuererhöhungen, Ausgabenstreichungen und Gehaltskürzungen angesichts der wirtschaftlichen Misere für kaum durchsetzbar. Das Land habe bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen. Seit ihrem Amtsantritt zu Jahresbeginn erfüllte die Regierung Duhalde bereits mehrere IWF-Forderungen, darunter eine Steuerreform und eine Neuverteilung der Steuereinnahmen auf die 24 Provinzen.

Hilfe vor Reformen?

Auch Brasiliens Notenbankchef Aminio Fraga sprang dem Nachbarland zur Seite. "Es ist im Moment nicht zumutbar, von Argentinien ein umfassendes wirtschaftliches Reformprogramm zu erwarten." Vielmehr sollte ein vorläufiges Hilfsprogramm verabschiedet werden, das sich auf einzelne Bereiche konzentriere.

Derweil geht den argentinischen Banken das Geld aus. Die Kreditanstalten bleiben auf Anordnung der Zentralbank bis einschließlich Donnerstag geschlossen. Die Regierung will verhindern, dass von argentinischen Konten weiter unkontrolliert Geld abfließt. Seit Februar wurden von den Banken 2,5 Milliarden Dollar abgezogen, obwohl eigentlich alle Konten auf Eis liegen. Jeder Argentinier darf pro Monat nur 1.500 Pesos abheben, was nach dem dramatischen Wertverlust der argentinischen Währung ungefähr 450 Dollar entspricht.

Sparern droht Totalverlust

Die Regierung kündigte indes schon den nächsten Schlag für die gebeutelten Sparer an: Alle noch verbleibenden Peso-Guthaben sollen in staatliche Wechsel von zweifelhaftem Wert umgestellt werden. Die so genannten Bonex sollen in fünf bis zehn Jahren eingelöst werden können. Auf das Zahlungsversprechen ihres bankrotten Staates geben die Argentinier aber kaum einen Pfifferling. Finanzexperten schätzen den Wert der Wechsel auf höchstens 15 bis 20 Prozent ihres Nominalwertes. Die Ersparnisse werden so de facto entwertet, ein Schicksal, das die Sparer zum zweiten Mal binnen zwölf Jahren ereilt.

Der Cocktail für weitere soziale Spannungen ist so bereits angerührt. Die Bürger empören sich immer noch über die Einfrierung der Guthaben. Der argentinische Mittelstand muss seinem eigenen Niedergang tatenlos zusehen. Gut ausgebildete Fachkräfte kehren ihrer Heimat den Rücken und wandern aus.

Explosives Gemisch

Seit im Dezember 2001 der damalige Präsident Fernando de la Rua durch Massenproteste aus dem Amt gefegt wurde, drohen weitere Unruhen. Wagen sich Politiker noch auf die Straße, werden sie ausgepfiffen oder sogar von einem wütenden Mob durch die Straßen getrieben. "Verschwindet alle", ist die beliebteste Losung der Demonstranten.