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Der Gewerkschafter

Christiane Wolters 25. Juli 2005

Es ist lange her, aber die Erinnerung lebt. Als Junge rannte Dietmar Bartsch begeistert hinter dem Wahlkampfbus von Willy Brandt her. Heute sagt er: "Manchmal frage ich mich, ob die SPD überhaupt noch meine Partei ist."

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Bergmann Bartsch: "Resignation und Hoffnung"Bild: DW

Dietmar Bartsch ist noch nicht daran gewöhnt, sich diese Frage zu stellen. Denn lange Zeit war kein Platz für solche Zweifel. Seit 18 Jahren ist der 42-jährige Bergmann Parteimitglied, dazu aktiv in der Gewerkschaft. Eins führte zum anderen – "dat Übliche eben."

Was früher im Ruhrgebiet "dat Übliche" war, ist inzwischen zur Ausnahme geworden. In den 1950er Jahren waren noch rund 500.000 Menschen im Steinkohlebergbau beschäftigt, heute sind es noch knapp 40.000. Und politisch engagieren will sich längst nicht mehr jeder. Die Wahlbeteiligung lässt zu wünschen übrig – und das spürt vor allem die SPD. Früher lief alles wie von alleine. Heute schafft die Partei es nicht mehr, ihre früheren Stammwähler, die Kumpels in den Bergwerken und die Arbeiter in den Fabriken, zu mobilisieren.

Viel "basta", wenig Herz

Seit fünf Uhr morgens sitzt Dietmar Bartsch in seinem Büro auf der Zeche "Auguste-Victoria" in Marl. Am Vorabend ist es spät geworden. Bartsch war auf einer SPD-Sitzung in seiner Heimatstadt Recklinghausen. Wie überall, wenn sich derzeit die Genossen treffen, ging es um die voraussichtliche Bundestags-Neuwahl im September.

Eine "Mischung aus Resignation und Hoffnung" verspürt Dietmar Bartsch angesichts der Aussicht, jetzt, knapp zwei Monate nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wieder Wahlkampf machen zu müssen. „Mit einem Sieg rechnet niemand ernsthaft. Aber was bleibt uns anderes übrig?“

Den Bundespolitikern wirft er vor, dass sie nicht mehr wissen, was an der Basis los ist. Wie auch? "Hat sich jemals einer von denen wirklich die Finger schmutzig gemacht?" Reformen waren und sind notwendig, das sieht auch der Bergmann Bartsch.

Aber nicht als "Basta-Politik" von oben. Die Ängste der Menschen ernst nehmen und ihnen mehr erklären, müsse man, sagt Bartsch. Dafür aber fehlten der SPD momentan die richtigen Leute: "Galionsfiguren wie Brandt, Wehner, Schmidt, die das sozialdemokratische Herz haben und es auch nach außen tragen." Trotzdem – Dietmar Bartsch wird wieder Wahlkampf machen für die SPD, die immer noch seine Partei ist. "Wer nicht kämpft, hat schon verloren", sagt er. Richtig kämpferisch klingt das nicht, eher ein bisschen müde.