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Erdbeben in Bayern

Peter Stützle29. September 2008

Nicht nur die CSU hat in Bayern ein Wahldebakel erlebt, auch die SPD ist abgestürzt. Wenn die beiden Volksparteien auch im Bund verlieren, werden Alternativen zur Großen Koalition schwierig, kommentiert Peter Stützle.

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Bild: DW

Es war ein Erdbeben in Bayern. Die absolute Mehrheit der CSU schien wie ein Naturgesetz, jetzt ist sie weg und die CSU muss einen Koalitionspartner finden – das kennen nur noch die ganz alten Bayern, aus den fünfziger Jahren.

Die Schockwellen dieses Erdbebens reichen bis Berlin. Angela Merkel will nach der Bundestagswahl in einem Jahr Bundeskanzlerin bleiben, aber nicht mehr in dem ungeliebten Bündnis mit den Sozialdemokraten, sondern mit den Liberalen. Dazu aber müsste nicht nur die FDP stark sein, auch die Union aus CDU und CSU müsste zulegen. Gerade aber hat die CSU in Bayern das Gegenteil getan, hat heftig verloren.

Erosion der Volksparteien

Peter Stützle (Quelle: DW)
Peter Stützle

Freilich, auch der frischgebackene Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, Frank-Walter Steinmeier, ist durch das Beben nicht gerade in eine bessere Position geschüttelt worden. Seine bayerischen Parteifreunde haben es geschafft, trotz der Schwäche der regierenden CSU ihr bisher schlechtestes Ergebnis von vor fünf Jahren noch zu unterbieten. Auch wenn Steinmeiers Wunsch-Koalitionspartner, die Grünen und die FDP, beide zugelegt haben: Auch diese rot-gelb-grüne Ampel funktioniert nur, wenn die SPD stärker wird – und sie ist gerade noch ein bisschen schwächer geworden.

Zu den markanten Ergebnissen der Bayern-Wahl gehört gerade, dass sich die Erosion beider alten Volksparteien, der Union und der SPD, fortsetzt – eine Erosion, die sich schon bei all den Landtagswahlen der letzten Jahre und bei der Bundestagswahl 2005 gezeigt hat. Ebenso markant ist, dass sich die groben Lager kaum verändern. Unzufriedene SPD-Wähler wandern zur Linkspartei und teilweise zu den Grünen, unzufriedene Unions-Wähler zur FDP und – im Falle Bayerns – zu den Freien Wählern. Diese halten das Prinzip des an keine Parteilinie gebundenen Volksvertreters hoch und bestehen zu einem erheblichen Teil aus ehemaligen CSU-Mitgliedern. Bei der Bundestagswahl, wenn die Freien Wähler nicht antreten, könnten viele ihrer Wähler wieder zur CSU kommen.

Für immer Große Koalition?

Für die Große Koalition in Berlin kommt es jetzt darauf an, ihre Arbeit noch ordentlich zu Ende zu bringen. Einige wichtige Entscheidungen stehen in den nächsten Wochen an, etwa zur Neuregelung der Erbschaftssteuer. Wie die CSU jetzt im Berliner Bündnis reagieren wird, ob erst recht bockig oder mit neuer Kompromissbereitschaft, ist noch nicht abzusehen. Sollten die Spannungen in der Koalition zunehmen, würde das den Frust der Bevölkerung und damit die Erosion der Volksparteien nur noch beschleunigen. Und am Ende bliebe womöglich der CDU/CSU wie der SPD nichts anderes übrig als eine neue Große Koalition, weil es zu nichts anderem reicht.