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Die Schweiz des Mittelmeers

Sigrid Dethloff8. Dezember 2002

Die Mittelmeerinsel Malta ist ein Wunschkandidat der Europäischen Union. Wirtschaftlich hat der kleinste Kandidat Großes vorzuweisen. Es gibt nur ein Problem: Viele Malteser wollen nicht in die EU.

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Festung in Maltas Hauptstadt, La ValettaBild: AP

Etwas mehr als 300 Quadratkilometer, nur rund 380.000 Einwohner, aber wirtschaftlich einer der stärksten EU-Aspiranten. Malta liegt nur 93 Kilometer südlich von Sizilien. Weit ist es mit 2000 Kilometern bis nach Brüssel. Seit 1974 ist die Mittelmeer-Insel eine unabhängige Republik, die dem britischen Commonwealth angehört.

So in etwa könnte die Kurzbeschreibung lauten für den EU-Kandidaten Malta, der voraussichtlich im Jahr 2004 der Europäischen Union beitreten wird. Allerdings ist die Freude der Malteser auf die EU nicht besonders groß: Nur rund 40 Prozent der Bevölkerung sind laut jüngster Umfragen für den EU-Beitritt, über 30 Prozent sind dagegen. Fast jeder Vierte ist unentschlossen. Das ist einzigartig unter den Kandidatenländern.

Parteien gespalten

Dabei bescheinigen die EU-Prüfberichte dem Inselstaat eine stabile Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine funktionierende Marktwirtschaft. Für Maltas konservativen Premier Edward Fenech Adami ist die EU-Mitgliedschaft die logische Konsequenz der schon immer guten Beziehungen seines Landes zu Gesamteuropa. "Malta war schon immer eine Demokratie - daher ist Maltas Platz politisch gesehen in Europa", sagt Adami. Die maltesische Wirtschaft sei durch lange Handelsbeziehungen längst mit der Europäischen Union verflochten.

Für die oppositionelle Arbeiter-Partei ist der Wunsch des Regierungschefs eher ein Alptraum. Das Land sei noch nicht reif für die EU - so heizt sie ihren Anhängern immer wieder ein. Seit der Unabhängigkeit der ehemals britischen Kronkolonie 1964 wechseln sich Labour und die konservativen Nationalisten beim Regieren ab. Die Mehrheit beträgt immer nur einige tausend Stimmen.

Arbeiterpartei gegen EU


Deshalb setzt Labour auch auf die nächsten Parlamentswahlen. Bei einem Wahlsieg bei den Wahlen 2003 würde die Partei die EU-Akte wieder bei Seite legen. Tausende Jobs gerieten sonst in Gefahr, so Labour, denn die großzügig subventionierte heimische Wirtschaft würde im freien europäischen Wettbewerb den Kürzeren ziehen. Malta sollte einer EU-Freihandelszone angehören, eine "Schweiz des Mittelmeeres" werden. "Wir möchten flexibel in unseren Beziehungen zur Europäischen Union bleiben, aber gleichzeitig das Verhältnis stärken", sagt der außenpolitische Sprecher der Arbeiter-Partei, George Vella.

Es sind vor allem die so genannten kleinen Leute, die Arbeiter, Angestellte, die Handwerker sowie die vielen kleinen Lokalbesitzer, die um ihre Zukunft bangen. Man fürchtet die Supermärkte und die großen Handelsketten, die auf der Insel bisher noch selten sind.

Stiefkind Umweltschutz

Ein Problem bleibt der Umweltschutz. Den Auflagen aus Brüssel schenkt hier bislang kaum einer Gehör. Über die Insel, die die höchste Autodichte Europas hat, kriechen Oldtimer-Busse noch aus der Kolonialzeit. Katalysatoren oder auch Recycling sind unbekannt, Kraftwerke werden ohne Filter betrieben. Nirgendwo gibt es so viele Asthma- und Allergiekranke. Der Chef der Grünen Partei, Harry Vassallo, hofft, dass der EU-Beitritt der gebeutelten Umwelt auf Malta zu Gute kommen wird. "Ein Beitritt zur Europäischen Union wird vor allem eins bringen: Einen Wandel im Lebenstil; jeder müsste disziplinierter sein", sagt Vassallo. "Das wird jeden Einzelnen etwas kosten, aber die Allgemeinheit wird davon profitieren."