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Empörung in der arabischen Welt

19. April 2004

Aus Sicht der arabischen Welt läuft einiges schief derzeit: Erst stellt US-Präsident Bush den Nahostfahrplan in Frage. Dann tötet das israelische Militär den Hamas-Führer Abdel Asis Rantisi: Eine Region ist ratlos.

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Palästinenser gegen Israelis: (Fast) jeden Tag neue GewaltBild: AP


Das Attentat auf Rantisi macht auch diejenigen Menschen in der arabischen Welt wütend, die mit der islamistischen Ideologie von Hamas nichts anfangen können: Für sie ist das Gefühl von Ohnmacht und Machtlosigkeit das Schlimmste. Sie fühlten sich wie Statisten in einem Film, dessen Regisseure Bush und Scharon seien, heißt es aus der Region. So machten denn auch einige arabische Regierungen die Nahost-Politik der USA mitverantwortlich für das Attentat.

Arabische Kritik an Israel

Viele Menschen in der arabischen Welt suchen nach einem Ventil für ihre Frustration – so, wie die ägyptischen Studenten, die in der Nacht zum Sonntag in Kairo die Öffnung der Grenze zu Israel forderten, um in den "Heiligen Krieg" an der Seite der Palästinenser ziehen zu können. Ihr Ärger richtet sich außerdem immer mehr gegen ihre eigenen Spitzenpolitiker. Diese seien untätig und nur noch am eigenen Machterhalt interessiert, so der Vorwurf. Dennoch haben sich viele Regierungen der arabischen Welt deutlich israel-kritisch geäußert: Sogar Ägypten und Jordanien, die diplomatische Beziehungen mit Israel unterhalten, beeilten sich, die Tötung Rantisis zu verurteilen - ebenso wie sie zuvor schon den israelisch-amerikanischen Alleingang in der Frage der Siedlungen und der Flüchtlinge kritisiert hatten.

Der jordanische König Abdullah II. warf den Israelis vor, sie seien arrogant und zerstörten den Friedensprozess. Ägyptens Außenminister Ahmed Maher erklärte, das Ziel der israelischen Regierung sei es, die Region an den Rand des Abgrunds zu manövrieren. In einer von der staatlichen Nachrichtenagentur SABA verbreiteten Erklärung der jemenitischen Regierung hieß es am Sonntag, die Tötung Rantisis werde "Rache zur Folge haben und eine Situation schaffen, in der Israel der größte Verlierer sein wird". Das Außenministerium des Golfemirats Katar erklärte, Israel hätte seine "Verbrechen" gegen das palästinensische Volk nicht fortsetzen können, wenn die internationale Gemeinschaft - und besonders die USA - eine klare Position gegen diese "Gräuel" bezogen hätte. Dabei haben die USA erst vor einigen Tagen sehr deutlich Position bezogen.

Die USA und ihr Vorschlag zur Lösung des Flüchtlingsproblems

George W. Bush verkündete nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 in ihre Heimat und die Aufgabe aller jüdischen Siedlungen im Westjordanland seien unrealistisch. Die Flüchtlinge und ihre Nachkommen müssten in einem künftigen Palästinenserstaat angesiedelt werden. Auf diese Kehrtwende reagierten viele Flüchtlinge mit Zorn. Denn sie hofften, eines Tages zurückkehren zu können. Kein Tag vergehe, an dem sie nicht an ihr Heimatdorf Lifta bei Jerusalem denke oder darüber spreche, sagt zum Beispiel die 76-jährige Fatma el Helo.

Sie verwahrt noch heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrer Flucht, den Schlüssel ihres Geburtshauses. Nur etwa 15 Kilometer sind es von ihrer heutigen Wohnung in einer Nachbarstadt von Ramallah bis in ihr Dorf - und doch ist es in unerreichbarer Ferne. "Weder Bush noch irgendjemand anderes kann unser Recht auf Rückkehr aufgeben", sagt el Helo trotzig. Doch sie macht nicht nur die israelischen Soldaten für ihre Misere verantwortlich, sondern auch die damaligen palästinensischen und die arabischen Führer. Sie hätten 1948 während des ersten Nahostkrieges Panik unter den Dorfeinwohnern gesät und so zu der Massenflucht beigetragen.

Kernpunkt Flüchtlingsfrage

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind seit 1948 mehr als 700.000 Palästinenser geflohen oder vertrieben worden. Mit ihren Kindern und Kindeskindern ist die Zahl inzwischen auf mehr als vier Millionen angewachsen. Heute leben sie hauptsächlich in den Palästinensergebieten, Jordanien, Libanon und Syrien. Israel fürchtet die Zerstörung des jüdischen Staates, sollten sie in ihre Heimat zurückkehren. Der palästinensische Abgeordnete und Vorsitzende des Flüchtlingskomitees, Dschamal Schati aus dem Flüchtlingslager von Dschenin, lässt sich von Bushs Äußerungen nicht aus der Ruhe bringen. "Die Flüchtlingsfrage bleibt die 'Mutter aller Streitfragen' und keiner hat das Recht, sie einfach aufzugeben." (arn)