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EU berät Wege aus der Finanzkrise

19. März 2009

Nach monatelangem Streit haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf ein fünf Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket verständigt. Weitergehende gemeinsame Hilfen sind aber nicht geplant.

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Frankreichs Präsident Sarkozy, Bundeskanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Barroso beim EU-Gipfel in Brüssel (Foto: AP)
Einigkeit nach langem Streit: Kanzlerin Merkel mit Frankreichs Präsident Sarkozy und EU-Kommissionspräsident BarrosoBild: AP

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs waren sich bei ihrem Wirtschaftsgipfel, der am Donnerstag (19.03.2009) in Brüssel begann, schnell einig: Weitere Konjunkturprogramme der nationalen Regierungen wird es vorerst nicht geben. Bis jetzt haben die Mitgliedsstaaten zusammen genommen rund 200 Milliarden Euro an Konjunkturspritzen bereitgestellt. Dazu kommen noch einmal 200 Milliarden für zusätzliche Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld. Für 300 Milliarden Euro haben die Regierungen Bankanteile aufgekauft. Zusätzlich garantieren die EU-Staaten mit 2500 Milliarden Euro für angeschlagene Banken.

Topolanek: Wirkung der Konjunkturpakete abwarten

Tschechiens Ministerpräsident und EU-Ratsvorsitzender Mirek Topolanek (Foto: AP)
Topolanek: Hilfen müssen ausreichenBild: AP

Der EU-Ratsvorsitzende, der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek sagte, das müsse ausreichen. Man wolle erst einmal abwarten, ob diese Pakete die Talfahrt der Wirtschaft abmildern könnten. Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt nannte einen weiteren schlichten Grund: Die öffentlichen Haushalte in Europa seien an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. „Das Problem ist, dass wir bald an dem Punkt angelangt sind, wo Europa alles tut, was möglich ist. Wir häufen große Defizite an." Das werde noch Probleme verursachen, warnte Reinfeldt. Höhere Zinsen und höhere Steuern drohten.

Die USA hatten im Vorfeld des Weltfinanzgipfels der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der am 2. April in London stattfinden wird, mehr Konjunkturprogramme von den Europäern gefordert. Diese wiederum waren in Brüssel nicht alle davon angetan, dass die US-Regierung jetzt offenbar die Notenpresse anwirft und 1000 Milliarden Dollar in den Markt pumpt. Der Sinn dieser Maßnahme wird von EU-Diplomaten bezweifelt. Es könnte längerfristig eine Geldentwertung, also eine Inflation drohen. Allerdings haben auch schon EU-Mitglied Großbritannien sowie die japanische Regierung zu diesem Mittel gegriffen.

Fünf Milliarden Euro für Internet- und Energienetze

Nach langem Streit über ein gemeinsam finanziertes Konjunkturprogramm der EU-Kommission einigten sich die Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend. Die fünf Milliarden Euro sollen für Energienetze und den Ausbau von breitbandigen Internetzugängen verwendet werden. Sie sollen jetzt aus dem laufenden Haushalt der EU und nach strengen Kriterien finanziert werden. EU-Kommissionspräsident Jose Barroso war erleichtert, dass sein Programm nun endlich Formen annimmt: "Ich bin sehr glücklich, dass unser Vorschlag angenommen wurde."

Gruppenbild der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (Foto: AP)
Demonstrieren Gemeinsamkeit: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen UnionBild: AP

Die Bundesregierung hatte kritisiert, die angedachten Projekte würden der Konjunktur kurzfristig nicht helfen. Deutschland hätte rund eine Milliarde Euro zu dem Konjunkturprogramm der EU-Kommission beisteuern müssen.

Gemeinsames Vorgehen in London

Einig sind sich die Europäer offenbar jetzt, dass beim G20-Gipfel ein einheitlicher Vorschlag zur schärferen Kontrolle der Finanzmärkte vorgelegt werden soll. Von einer weltweit zuständigen Aufsichtsbehörde und einer Charta für nachhaltiges Wirtschaften ist die Rede. Diese Idee der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel soll dafür sorgen, dass die Staatshaushalte nach der akuten Krise wieder saniert werden. Sie werde sich für die Verabschiedung einer neuen "Weltfinanzarchitektur" in London einsetzen, sagte Merkel in Brüssel.

Der britische Premierminister Gordon Brown wollte einen entsprechenden Vorschlag vorstellen. Von dem sollen dann auch die eher zögerlichen USA überzeugt werden. Beim G20-Gipfel wird kein EU-Mitgliedsland als Steueroase auf einer schwarzen Liste gebrandmarkt werden. Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker setzte durch, dass diese Drohungen zurückgenommen werden. Luxemburg, Belgien und Österreich hatten sich zu größerer Kooperation verpflichtet.

Die Europäische Union sagte Mitgliedsstaaten, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, mehr Hilfen zu. Ein Notfallfonds soll von 25 auf 50 Milliarden Euro verdoppelt werden. Allen Staaten - ob in Osteuropa oder in Westeuropa - solle geholfen werden. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück mahnte an, dass dies möglichst diskret geschehen sollte, um die Kreditwürdigkeit der betroffenen Länder nicht noch weiter herabzustufen. Bislang hatten Rumänien, Ungarn und Lettland Hilfen beantragt, um nicht Staatsbankrott anmelden zu müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies darauf hin, dass sich die Staaten erst einmal selbst helfen müssten. Aber im Notfall werde man einspringen.

Autor: Bernd Riegert

Redaktion: Frank Wörner