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Europäische Union muss haushalten

Bernd Riegert, Brüssel 22. Januar 2004

Die Europäische Union verschlingt Unmengen an Geld: Das ist ein weitverbreitetes Vorteil. Ist es gerechtfertigt? Nein, sagt die Haushaltskommissarin. Im Gegenteil: die EU müsse mit immer weniger Geld mehr leisten.

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Haushaltskommissarin Michaele SchreyerBild: AP

"Wofür gibt Brüssel Ihr Geld aus?" Das ist der Titel einer Broschüre, die von den Bürgern der Europäischen Union beim Publikationsservice der EU-Kommission oft bestellt wird. Die kurze Antwort auf die Frage lautet: Für Ihre Kühe und für Ihre strukturschwachen Gebiete zum Beispiel in Spanien, Griechenland oder in Ostdeutschland.

45 Milliarden Euro und damit fast die Hälfte des 100 Milliarden Euro umfassenden EU-Budgets fließen 2004 in Subventionen für die Landwirtschaft. Weitere 34 Milliarden gehen in ein Umverteilungssystem zur Förderung von Investitionen,Infrastruktur und Industrieansiedlung in benachteiligten Regionen.

Sechs Milliarden Euro kostet die Verwaltung der Europäischen Union. Dieser Posten steigt mit der Erweiterung um zehn Staaten im Jahr 2004 überdurchschnittlich an. In diesem Bereich werden zum Beispiel 2.400 Beamte und Angestellte neu eingestellt. Nur rund 3,4 Milliarden Euro werden für die Heranführung der neuen Mitglieder und der Beitrittskandidaten Rumänien, Bulgarien und Türkei aufgewendet.

Sinkende Haushalte

Das Vorurteil, die EU sei teuer und verschleudere Steuergelder, sei weit verbreitet und leider nicht auszurotten, stöhnt EU-Kommissionspräsident Romani Prodi bei jeder Gelegenheit. Dabei sei es doch so, dass Europa von Jahr zu Jahr preiswerter werde, sagt die zuständige Haushaltskommissarin Michaele Schreyer zur Deutschen Welle. So seien in den vergangenen Jahren, die europäischen Haushalte gesenkt worden. "Europa hat für immer weniger immer mehr geleistet", sagt Schreyer. So habe der Haushalt von vor zehn Jahren bei 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen, heute nur noch bei einem Prozent.

Der EU-Haushalt bleibt damit deutlich unter der von den europäischen Staats- und Regierungschefs genehmigten 1,24 Prozent-Grenze. Diesen Rahmen will EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer nach 2006 aber voll ausschöpfen, um die Erweiterung, aber auch vermehrte Ausgaben für Forschung, Bildung und Innovation zu finanzieren. Der Haushalt könne nach der Ost-Erweiterung nicht weiter reduziert werden.

Sollen die Ausgaben bei einem Prozent des Bruttonationaleinkommens gedeckelt werden, wie es jetzt mindestens sechs Nettozahler fordern, müssten nach Ansicht der deutschen Haushaltshüterin die Aufgaben verändert werden. Die Ausgaben steigen zum Beispiel wegen der von allen EU-Staaten beschlossenen neuen Aufgaben in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wolle man sparen, müsse man an die großen Brocken ran, so Schreyer: So müsste zum Beispiel der Agrarkompromiß wieder aufgeschnürt werden.

Deutschland fordert Ausgabendisziplin

Bei der Subventionierung der Landwirtschaft, die etwa für Frankreich sakrosankt ist, hatte man sich gerade 2003 unter großen Schwierigkeiten auf eine Begrenzung der Ausgaben geeinigt. Über eine neue Verteilung der Regionalförderung wird gerade verhandelt. Der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier geht davon aus, dass die zehn neuen Mitglieder etwa die Hälfte der jetzigen Fördermittel oder rund 17 Milliarden Euro erhalten würden. Ostdeutschland fiele dann zum größten Teil aus den Förderprogrammen heraus, weil seine Einwohner über der Fördergrenze von 75 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens der gesamten Union liegen.

Über die Einnahmenseite des Haushalts wird derzeit heftig gestritten. Sechs der zehn Nettozahler haben sich bereits schriftlich mit Sparappellen an Kommissionpräsident Romani Prodi gewandt. Bundesfinanzminister Eichel verlangt von der EU-Kommission ungewöhnlich scharf Ausgabendisziplin. Der Anteil Deutschlands am EU-Haushalt ist von einem Drittel 1995 auf ungefähr ein Viertel zurückgegangen. Dennoch ist der deutsche Finanzminister absolut gesehen der größte Geber beim europäischen Geldverteilen. Er zahlt fünf Milliarden mehr in die Kasse als er auf der anderen Seite an Fördermitteln wieder herausbekommt.

Gemessen an der Wirtschaftskraft sind die Niederlande mit 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens die Zahlmeister. Deutschland zahlt ein Viertelprozent seines Nationaleinkommens nach Brüssel. Die Empfängerländer sind zur Zeit Spanien, Griechenland, Portugal und Irland. Das wird sich nach der Aufnahme der neuen Mitglieder entscheidend ändern. Dann wird Polen zu den Nutznießern, Slowenien aber möglicherweise schon zu den Nettozahlern gehören.