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Für eine Verfassung noch vor der Wahl

Barbara Cöllen28. Januar 2004

Nach dem Fiasko des Verfassungsgipfels in Brüssel herrschte Katerstimmung in der EU. Am Mittwoch (28.1.) trafen sich in Berlin deutsche, französische und polnische Abgeordnete. Sie gelobten Besserung

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Janusz Reiter, Präsident des Zentrums für Internationale Beziehungen in WarschauBild: DW

Es begann mit dem Irak-Krieg, als die Bundesregierung wenig taktvoll auf die historisch bedingten Ängste der Polen vor einer neuen deutsch-französisch-russischen Achse reagierte. Und im Sommer 2003 hat sich im Streit über das "Zentrum gegen Vertreibungen" gezeigt, dass die deutsch-polnische Vergangenheitsbewältigung kein abgeschlossenes Kapitel zu sein scheint. Am Ende des Jahres schließlich kam das Fiasko mit der EU-Verfassung. Die Polen mussten den Vorwurf des Nationalismus einstecken.

Das stößt im Lande auf Unverständnis, auch bei Janusz Reiter, dem ehemaligen polnischen Botschafter in Deutschland und dem Präsidenten des Zentrums für Internationale Beziehungen in Warschau: "Ich glaube, es ist falsch, die polnische Politik nur als Ausdruck eines engstirnigen Nationalismus zu betrachten. Vor allem wenn man bedenkt, dass in der EU ein starker nationaler Wind weht und zwar gerade aus den großen Ländern." Viele Polen fragten sich, warum es als europäische Tugend gelten sollte, wenn französische oder deutsche Politiker ihre nationalen Interessen verfolgen - und zwar hart, manchmal brutal, manchmal gegen die Regeln der EU -, während dies bei den Polen als Verstoß gegen die europäischen Regeln angeprangert werde.

Russland und die polnische Allergie

Neu bewertet werden müssten auch deutsch-polnische Beziehungen. Was im deutsch-polnischen Tandem politisch errungen wurde, ist zweifelsohne beachtenswert: Die Aufnahme Polens in die NATO und die EU ist ein gemeinsames Werk von Deutschland und Polen. Jedoch zeigt sich die Schwäche der gemeinsamen Beziehungen gerade nach dem Erreichen dieses Zieles. Die beiden Regierungen haben deutsch-polnische Themen vernachlässigt oder sie zu oberflächig behandelt. Somit scheinen sich gemeinsame Interessen und damit die Möglichkeit der Zusammenarbeit erschöpft zu haben.

Eine Plattform für die Vertiefung der Beziehungen bietet das Weimarer Dreieck aus Polen, Frankreich und Deutschland, das 1991 geschaffen wurde, um die Kräfte Frankreichs und Deutschlands für die Aufnahme Polens in die EU zu bündeln. Die Vorsitzenden der Europa-Ausschüsse der Parlamente von Frankreich, Deutschland und Polen forderten nun bei ihrem Treffen In Berlin am 28. Januar 2004 eine EU- Verfassung noch vor den Europawahlen am 13. Juni. "Es wird sehr schwierig", Wahlen abzuhalten, ohne über eine konkrete Verfassung sprechen zu können, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses in der französischen Nationalversammlung, Pierre Lequiller.

Für die Verfassung vor der Wahl

Auch für seine Kollegen aus Deutschland und Polen wäre es ein gutes Zeichen für Europa, wenn die Verfassung vor der Wahl Gestalt annähme. Der EU-Verfassungsgipfel war im Dezember nicht zuletzt an Polen gescheitert. Polens Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz hatte aber Mitte Januar wieder Gesprächsbereitschaft im EU-Verfassungskonflikt um das künftige Abstimmungsverfahren signalisiert.

Zudem wollen die Ausschussvorsitzenden das "Weimarer Dreieck" neu beleben und ihm Gewicht nicht nur durch die Regierungen, sondern auch durch die Parlamente geben, sagte der deutsche Amtsinhaber Matthias Wissmann (CDU).