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Fragen an das Déjà-vu im Kopf

3. Februar 2005

Fast jeder kennt die Erfahrung: Man hat für eine kurzen Augenblick das Gefühl, eine neue Situation oder einen Ort schon einmal erlebt zu haben. Jetzt versuchen Forscher, diese Déja-vu-Momente zu erklären.

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Bild: dpa

Das Phänomen, für das es seit dem 19. Jahrhundert den französischen Begriff Déjà-vu (schon gesehen) gibt, kann Menschen faszinieren oder auch erschrecken - und ist von der Wissenschaft bislang noch nicht schlüssig erklärt. Immerhin gibt es erhellende wissenschaftliche Erklärungsansätze, für eine Erscheinung, in der einige Menschen eher einen Hinweis auf Seelenwanderung und Wiedergeburt sehen.

Ein Ausgangspunkt für Forscher ist die Hypothese, dass der Eindruck des Déjà-vu die Erinnerung an ein Ereignis ist, von dem man geträumt hat. Die französischen Autoren Marc Tadie und sein Bruder Jean-Yves, der eine Direktor eines neurochirurgischen Universitätsinstituts, der andere Literaturprofessor, nennen sie in ihrem Buch "Im Gedächtnispalast". Es ist nämlich charakteristisch für Déjà-vu-Erlebnisse, dass man einen Augenblick lang sicher ist, die Situation erlebt zu haben, aber sich nicht an den Zeitpunkt erinnert.

Traum und Wirklichkeit

Auch die Beschreibung von Träumen in literarischen Werken kann ein Ansatz zum Verstehen von Déjà-vu-Erlebnissen sein. "Im Traum kann sich das Bewusstsein frei in einem Raum ohne Grenzen bewegen, in dem sich Vergangenheit und Zukunft mischen", bemerken die beiden Franzosen zu solchen Beschreibungen.

Ein Beitrag des Magazins "Gehirn & Geist" (Heidelberg, 4/2004) zum Thema Déjà-vu verweist auf Forschungen über Gedächtnisprozesse. Ergebnisse von John D. E. Gabrieli und seinen Mitarbeitern an der amerikanischen Stanford University legen die Annahme nahe, dass die Gehirnstrukturen Hippocampus und parahippocampaler Cortex unterschiedliche Funktionen in diesem Prozess erfüllen.

Während der Hippocampus das bewusste Erinnern von Erlebnissen erlaube, könne der parahipppocampale Cortex zwischen vertrauten und unvertrauten Reizen unterscheiden, und zwar ohne dabei unbedingt auf eine konkrete Erinnerung zurückzugreifen.

Parahippocampus und Hippocampus

Josef Spatt vom Ludwig-Boltzmann-Institut in Wien hat hiervon ausgehend die Hypothese formuliert, ein Déjà-vu entstehe dann, wenn der Parahippocampus ohne Beteiligung des Hippocampus ein Vertrautheitsgefühl auslöst. In diesem Augenblick nämlich würde eine momentan wahrgenommene Szene als bekannt empfunden, obgleich sie zeitlich nicht eindeutig zugeordnet werden könne.

Wie der Autor des "Gehirn & Geist"-Beitrags, der am Institut für Psychologie der Universität Halle-Wittenberg über Selbstentfremdung und Erinnerungsphänomene forschende Uwe Wolfradt schreibt, sind am Déjà-vu vermutlich viele verschiedene Hirnregionen beteiligt. "Die intensiven Gefühle der Selbst- und Wirklichkeitsentfremdung etwa sowie das mitunter veränderte Zeitgefühl deuten auf komplexe Bewusstseinsvorgänge hin."

"Kleiner Fehler"

Während der ein Déjà-vu-Erlebende den Bruchteil eines Augenblicks an der Wirklichkeit zweifelt, erlauben Neurowissenschaftlern diese "kleinen Fehler" einen ungewöhnlichen Einblick in Bewusstseinsprozesse. "Vielleicht hilft die weitere Erforschung von Déjà-vu nicht nur zu erklären, wie Gedächtnistäuschungen entstehen, sondern auch, wie es dem Gehirn überhaupt gelingt, ein kontinuierliches Abbild der Realität herzustellen", hofft Forscher Wolfradt. (mik)