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Guttenberg zunehmend in Erklärungsnot

9. Dezember 2009

Ein Bericht des Roten Kreuzes setzt den Verteidigungsminister unter Druck. Als Guttenberg den Luftangriff bei Kundus als "angemessen" bezeichnete, soll er bereits von zivilen Opfern gewusst haben.

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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: AP)
Karl-Theodor zu Guttenberg: Kommt nach dem steilen Aufstieg der tiefe Fall?Bild: AP

Das Internationale Rote Kreuz hat Karl-Theodor zu Guttenberg offenbar bereits Anfang November schriftlich darüber informiert, dass es bei dem umstrittenen Luftangriff auf zwei Tanklaster in Nordafghanistan zahlreiche zivile Opfer gegeben habe. In dem Bericht werde der Angriff als "völkerrechtswidrig" bezeichnet, berichtet das Hamburger Magazin "Stern". Es habe zu viele zivile Opfer gegeben. Die Hilfsorganisation liste Namen von 74 toten Zivilisten auf. Darunter seien auch viele Kinder.

Das Rote Kreuz führe in seinem Bericht aus, es sei "unwahrscheinlich", dass die von den radikal-islamischen Taliban entführten Tanklaster zu fahrenden Bomben umfunktioniert und gegen die Bundeswehr eingesetzt werden sollten. Die Lkw hätten entgegen der Fahrtrichtung zu dem deutschen Feldlager in einer Sandbank festgesteckt, als sie bombardiert wurden. Für das deutsche Feldlager bei Kundus habe demnach keine "unmittelbare Bedrohung" bestanden.

Guttenberg sieht keinen eigenen Fehler

Verteidigungsminister Guttenberg wies die Vorwürfe bezüglich seiner ersten Bewertung zurück. Sein Sprecher Steffen Moritz bestätigte zwar, dass dem Verteidigungsminister der Bericht vor seiner öffentlichen Beurteilung des Angriffes am 6. November vorgelegen habe. Der Sprecher betonte allerdings, dass Guttenberg selbst auf den Bericht des Roten Kreuzes hinwies. Der Bericht sei in die damalige Bewertung eingeflossen, besonders bei der Frage ziviler Opfer. Der Minister sagte zwar, dass er persönlich davon ausgehe, dass es zivile Opfer gebe und dies bedauere. Dennoch kam er bei seiner ersten Bewertung zum Schluss, dass der Angriff "militärisch angemessen" gewesen sei.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: dpa)
Vergangene Woche revidierte Minister Guttenberg seine Bewertung des LuftangriffsBild: dpa

Inzwischen hat Guttenberg dieses Urteil revidiert. In der vergangenen Woche erklärte er, der Angriff sei "militärisch nicht angemessen" gewesen. Er begründete die Kehrtwende damit, dass Berichte der Bundeswehr aufgetaucht seien, die er zuvor nicht gekannt habe. Bis zu 142 Menschen, darunter viele Zivilisten, starben nach Nato-Angaben bei dem Bombardement, das ein deutscher Oberst angeordnet hatte.

Linke fordert Guttenberg zum Rücktritt auf

Aus den Reihen der Opposition wurden inzwischen Forderungen nach einem sofortigen Rücktritt Guttenbergs laut. "Wer auf seinem Schreibtisch Dokumente liegen hat, aus denen hervorgeht, dass dort auch acht-, zehn- und zwölfjährige Kinder getötet wurden, darf nicht so tun, als sei alles in Ordnung", sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Inge Höger. Der Minister von der CSU habe schon früh von der hohen Zahl ziviler Opfer gewusst, erklärte sie. "Trotzdem hat er wider besseren Wissens den Angriff als militärisch angemessen bezeichnet und damit Verantwortung für das Massaker übernommen." Die "Schönrederei der Kriegshandlungen" müsse ein Ende haben.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: AP)
Guttenberg muss sich derzeit viele Fragen gefallen lassenBild: AP

Wegen seiner Informationspolitik als Verteidigungsminister war kürzlich bereits Franz Josef Jung (CDU) von seinem neuen Amt als Bundesarbeitsminister zurückgetreten. Guttenberg hatte wegen der Informationspolitik Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert entlassen.

Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages soll die Kundus-Affäre durchleuchten. Er konstituiert sich am 16. Dezember. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte eine klare gesetzliche Regelung für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Derzeit befänden sich die Soldaten "ständig am Rande des Grundgesetzbruchs", sagte die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Monika Lüke, in Berlin.

Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp)

Redaktion: Christian Walz