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Hartmut Mehdorn tritt zurück

30. März 2009

Der Druck auf Harmut Mehdorn war am Ende zu groß, die Vorwürfe zu schwerwiegend, um diese einfach auszusitzen. Der Chef der Deutschen Bahn beugt sich den Rufen nach seinem Rücktritt und nimmt seinen Hut.

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Mehdorn-Umrisse vor Bahn-Logo (Foto: ap)
Tritt aus dem Rampenlicht heraus: Hartmut MehdornBild: AP

Hartmut Mehdorn bot dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bahn am Montag (30.03.2009) in Berlin die Auflösung seines Vertrages an. Das teilte er zum Abschluss der Bilanz-Pressekonferenz des Unternehmens mit. Er sehe zwar keine eigene Schuld in der Datenaffäre. Er wolle sich seiner Verantwortung als Konzernchef aber nicht entziehen. Mehdorn geht nach eigenen Worten davon aus, dass der Aufsichtsrat bis zum Sommer einen Nachfolger vorstellen werde.

Bahnchef Hartmut Mehdorn teilt seinen Rücktritt mit (Foto: ap)
Bahnchef Hartmut Mehdorn teilt seinen Rücktritt mitBild: AP

Mehdorn war in der Datenaffäre des staatseigenen Unternehmens immer stärker in die Kritik geraten. Auch sein Rückhalt in der Regierungskoalition war gesunken. Die Bahn hatte am Samstag eingestanden, während der Streiks im Jahr 2007 E-Mails der Lokomotivführergewerkschaft GDL gelöscht zu haben. Mehdorn begründete dies mit technischen Problemen sowie damit, dass der Versand der Mails illegal gewesen sei. Vorige Woche war zudem bekanntgeworden, dass der Konzern nicht nur Daten abglich, sondern auch die E-Mails seiner Beschäftigten kontrollierte.

Mehdorn betonte erneut, in der Datenaffäre gebe es bislang keinerlei Hinweise auf strafrechtliche Verstöße. "Es handelt sich nicht um einen Datenskandal, sondern um eine Kampagne zur Veränderung der Unternehmenspolitik", warf er seinen Kritikern vor.

Rasche Klärung der Nachfolge

Die Bundesregierung hat das Rücktrittsangebot Mehdorns mit Respekt zur Kenntnis genommen. Kanzlerin Angela Merkel dankte dem Bahnchef für seine Tätigkeit und lobte ihn vor allem für die erfolgreiche Sanierung des Konzerns. Dieser Modernisierungskurs müsse fortgeführt werden.

Die Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA begrüßten den Rücktritt von Hartmut Mehdorn als "logische Konsequenz aus der Schnüffelaffäre". Man erwarte nun von der Politik ein klares Bekenntnis, welchen Weg die Bahn künftig gehen soll, teilten die Gewerkschaften mit.

Die Bundesregierung kündigte an, schnell einen Nachfolger für Mehdorn zu präsentieren. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee sagte im ARD-Fernsehen, er gehe "davon aus, dass wir relativ schnell eine gute, tragfähige Lösung präsentieren können". Schon am Dienstag wollen die Spitzen der Koalition darüber beraten.

Solide Bilanz

ICE aus Vogelperspektive (Foto: ap)
1,9 Milliarden Menschen reisten 2008 in Zügen der Deutschen BahnBild: AP

Mit einem Zuwachs im Personenverkehr hat die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr den Einbruch im Güterverkehr abgefangen und ihren Gewinn gesteigert. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern stieg 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 4,8 Prozent auf 2,48 Milliarden Euro. Das teilte die Deutsche Bahn am Montag in Berlin mit.

Unter dem Strich ging der Überschuss allerdings auf 1,32 von zuvor 1,7 Milliarden Euro zurück. Das lag nach Bahn-Angaben an negativen Steuereffekten. Der Umsatz erhöhte sich um 6,8 Prozent auf 33,5 Milliarden Euro. Der Zuwachs lag zum großen Teil an Zukäufen. Rechnet man diese heraus, beträgt das Plus nur noch 3,7 Prozent.

Mehdorn: Eisiger Wind

Das Transport-Unternehmen spürt zunehmend die Wirtschaftskrise. "Uns bläst in diesen Tagen ein eisiger Wind ins Gesicht, von dem wir nicht wissen, ob er sich nicht zu einem Orkan auswächst", erklärte Bahnchef Hartmut Mehdorn. 2009 habe schwierig begonnen. "Die Auftragseinbrüche sind gravierend." Eine Prognose für das laufende Jahr wagte der Konzern daher nicht. In ihrem Geschäftsbericht warnte die Bahn allerdings vor möglichen jahrelangen Auswirkungen auf die Erträge des Unternehmens.

Mehr Menschen, weniger Güter transportiert

Güterbahnhof in abendlicher Beleuchtung Archivfoto: ap)
Im Bereich Gütertransport schrumpfte der Gewinn um 14 ProzentBild: AP

Die Bilanz wurde vor allem durch den Regionalverkehr und den Fernverkehr gerettet: IC und ICE bauten ihren Gewinn massiv aus. Die Zahl der Fahrgäste stieg auf ein neues Rekordniveau: Die Bahn zählte in ihren Zügen im vergangenen Jahr 1,9 Milliarden Fahrgäste, 84 Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Damit konnte der Einbruch bei der Güterbahn sowie der internationalen Logistik von Schenker (LKW, Flugzeug, Schiff) abgefangen werden. Hier schrumpfte der operative Gewinn um zehn beziehungsweise 14 Prozent.

Das Unternehmen kündigte weiter an, man werde 2009 wohl mehr als zwei Milliarden Euro über den Kapitalmarkt refinanzieren. Der mit 16 Milliarden Euro verschuldete Staatskonzern spielt auf den internationalen Anleihemärkten ein wichtige Rolle.

Keine betriebsbedingten Kündigungen in Sicht

Trotz der Wirtschaftskrise denkt das Unternehmen nach eigenen Angaben vorerst nicht an Entlassungen. "Betriebsbedingte Kündigungen haben wir bisher nicht geplant", sagte Mehdorn. Die weitere Entwicklung hänge aber von der Marktlage ab.

In der Technik-Abteilung hat der Konzern noch eine große Baustelle. Die Ursache für den Bruch einer ICE-Achse im Juli 2008 in Köln sei nach wie vor unklar, wie Mehdorn einräumte. Und noch immer könnten die Hersteller der Züge keine verbindlichen Zusagen zu den Laufzeiten der ICE-Achsen zwischen erforderlichen Prüfintervallen machen, sagte Mehdorn. "Wir sind hierüber nach wie vor fassungslos und entsetzt." (mas/wa/gri/rtr/dpa/ap)